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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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erinnern sollen, mitten in diesem weitab von allem anderen ablaufenden Ritual, in dem die wissenschaftlichen Arbeiten auf eine dermaßen geheimnisvolle Art und Weise herausgegeben wurden, dass ich mir überhaupt keine Vorstellung davon machen konnte? Ich saß mit angespannten Muskeln auf der Stuhlkante und war überzeugt, dass er es zu schätzen wusste, wie ich aus einem Beschützerinstinkt heraus schwieg, um ihn zu schonen.
    Â»Aber zurück zu unserer Sache …«, sagte er. Er hatte auf einmal eine ganz andere Stimme, als er sich die Papiere meines Onkels vornahm und sich eine Zigarette in den Mundwinkel steckte, vorerst ohne sie anzuzünden. Zu meiner Enttäuschung verwies er die Dinge auf ihren Platz und stellte den Abstand zwischen uns wieder her.
    Â»Ich glaube, ich habe mir ein Bild davon machen können, worum es geht … Sie haben mir wohl nur ein Kapitel aus einer umfangreichen Arbeit gebracht …«
    Ich nickte automatisch wie zuvor.
    Â»Alles kommt natürlich nicht in Frage, aber das war ja auch nicht Ihre Absicht, oder? Sie sind ja schließlich zu einer Zeitschrift gekommen. Soviel ich auf den ersten Blick erkennen konnte, müssten ein paar überflüssige Stellen gestrichen werden … Zudem hatte er offenbar keinen Zugang zu gewissen Quellen, so dass er sich auf das beschränkt hat, was er dort finden konnte. Und da ist noch etwas, vielleicht die Hauptsache: Die Arbeit müsste aktualisiert und perspektivisch auf den heutigen Stand gebracht werden, Sie verstehen ja, was ich meine? Ein bisschen politisiert müsste sie werden, nur ein bisschen …«
    Ich war mir immer noch sicher, dass nichts draus werden würde; ein spätes und beschämtes Mitleid überkam mich beim Blick auf die regelmäßige kleine Handschrift meines Onkels auf der Rückseite eines Blattes. Allzu oft hatte ich mittlerweile schon vergessen, dass ich seinetwegen gekommen war, und nur an mich gedacht.
    Â»Es wäre dennoch schade, wenn wir darauf verzichteten. Mit diesen Änderungen, die sich auf die Struktur wohl gar nicht auswirken würden, könnte man durchaus Interesse finden, aber wer hat die Geduld, eine Arbeit neu aufzuzäumen, die noch nicht einmal seine eigene ist? Am Institut ist jeder mit seinen planmäßigen Vorhaben beschäftigt, wenn er für jemand anderen arbeitet, verspricht er sich zumindest Vorteile davon … Also sind Sie die Einzige, die es versuchen könnte. Zumal Ihnen dies von Nutzen sein könnte, da Sie sich mit den Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens einigermaßen vertraut machen könnten. Wenn nötig, kann ich Sie dabei beraten. Nun, was meinen Sie? Wieso sehen Sie mich so erschrocken an?« Petru Arcan lachte laut und selbstgefällig, nahm das durchsichtige Gasfeuerzeug vom Tisch und zündete sich die Zigarette an.
    Ich hatte den Gedanken verdrängt, vielleicht war ich ja aber gerade deshalb mit den Arbeiten meines Onkels zu ihm gekommen. Da ging mir allerdings auf, wie wenig ich wusste, wie unsicher und orientierungslos ich war. Ich verhaspelte mich ganz schlimm, als ich mit glühenden Wangen und Ohren etwas zwischen Einwilligung und Entschuldigung stammelte.
    Â»Ich glaube, wenn Sie sich anstrengen, klappt das«, sagte er gleichmütig, als hätte er mir gar nicht zugehört, und räumte die Bücherstapel beiseite.
    Durch die Tür trat die Aufwartefrau mit dem Kaffee. Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück und gab mir Mühe, möglichst schicklich und feierlich dazusitzen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, bedient zu werden, und kam gar nicht darauf, dass es sich um einen banalen, zum Arbeitsablauf gehörenden Brauch handelte. Ich wunderte mich nur, dass die Tassen nicht zueinander passten und das Tablett aus Plastik war.
    Â»Vielleicht sollte ich die Arbeit lieber hier lassen, damit Sie sie vollständig lesen«, versuchte ich einen Aufschub zu erwirken.
    Er aber winkte ungeduldig ab. »Diesen Monat ist gar nichts drin, ich habe Ihnen ja gesagt, wie beschäftigt ich bin«, antwortete er fast barsch und deutete mit der Hand auf den Haufen Typoskripte an der Ecke des Schreibtischs. »Es geht um den Folgeband einer wissenschaftlichen Buchreihe, er muss zum Nationalfeiertag am 23. August erscheinen, und ich bin auch Mitglied in der Koordinierungskommission …« In seiner rauen Stimme klang Selbstzufriedenheit mit. Vieles schien auf

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