Der gleiche Weg an jedem Tag
wirst dich nicht verspäten ⦠Deine Kommilitonin, die ist halt etwas wild. Du brauchst dich jetzt nicht anstellen wie ein Mädel vom Land â¦Â«
Immerhin war wenigstens dieser Samstag vorbei. Hinter mir hörte ich: »Pssst ⦠pssst â¦Â« Dazu schwere Schritte. Ein Schatten löste sich von einem Baum. Ich rannte weiter, und als ich eine Hand an meinem Arm spürte, schrie ich dermaÃen auf, dass ich mich über meinen eigenen tierischen Schrei wunderte und über die Angst, mit der ich durch die öde Stadt rannte, viel zu müde, noch etwas zu erwarten oder zu suchen. Der andere lieà von mir ab, wobei er vor sich hin brabbelte, wahrscheinlich einen Fluch.
Meine Gedanken eilten zurück zu dem finsteren Gesicht von Onkel Ion. Mir schien, ich hatte den heutigen Schrecken verdient, schon wegen der schuldbewussten Unruhe, mit der ich jahrelang auf den Zeitpunkt gelauert hatte, wenn ich auf den Korso gehen wollte. Schon wegen der Leichtfertigkeit, mit der ich heute in der Kaderabteilung bereit gewesen war, ihn zu verleugnen. Mein Gedanke strich über alle mir bekannten Männergesichter und klammerte sich verzweifelt an das von Petru Arcan. Schnaufend stieg ich die Treppen bis zum Pförtner hinauf und streckte ihm meinen Studentenausweis entgegen. Ich hatte mich verspätet.
Dritter Teil
Kapitel XVIII
I ch hatte überhaupt keine Zeit diese Woche«, sagte Petru Arcan und stand auf, um mich zu begrüÃen. »Ich war so verplant, dass ich es vergessen habe ⦠Erst als Sie mich angerufen haben, ist es mir eingefallen, und mittlerweile habe ich mir das auch angesehen, was Sie mir letztes Mal dagelassen haben â¦Â«
Ich blieb auf halbem Weg stehen und senkte den Blick, damit er meine Enttäuschung nicht bemerkte, aber meine Wangen glühten vor Zorn über die Demütigung. Er hatte noch nicht einmal daran gedacht, und ich hatte sorgfältig die Tage gezählt, damit genau eine Woche verstrich und ich nicht etwa zu spät oder zu früh wiederkam. Während ich so da stand und zähneknirschend den Teppich anstarrte, dachte ich, es wäre am besten, sofort zu verschwinden mit den vergilbten Blättern meines Onkels, die ich verloren unter all den anderen auf dem Schreibtisch liegen sah, und diese Polstertür nie wieder zu öffnen. All die stolze Feigheit von Onkel Ion stieg plötzlich in mir hoch, ich spürte sie in den vor Verlegenheit weichen Beinen, die sich weder vor noch zurück trauten. Und doch glaubte ich nicht restlos alles, was ich mir störrisch einredete. Es hätte ja bedeutet, dass ich den Gedanken, den ich seit Wochen mit mir herumtrug, aufgab und damit meine Vorstellung von einem Eintritt in die Welt des Studiums und des Erfolgs. Eigentlich wartete ich weiter auf ein Zeichen, und sei es noch so klein, dass ich bleiben konnte.
»Trinken Sie einen Kaffee?«, fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er mit aufmunterndem Lächeln an mir vorbei und rief etwas durch die Tür.
»Ich weià nicht, wo mir der Kopf steht vor lauter Arbeit«, bemerkte er, als er zurückkam.
Er setzte sich mir gegenüber und presste die langen knochigen Finger an die Schläfen mit den krausen Haaren, unter denen ich mit einer merkwürdigen Genugtuung, als wäre es eine unerwartete Offenbarung, etliche weiÃe entdeckte. Es war so still, dass ich selbst zusammenzuckte, als ich meine Schuhsohlen über das Parkett schleifen hörte. Durchs Fenster sah ich auf den verwaisten Platz in der dunstigen Nachmittagssonne. Alles andere geschah jenseits, von dort kam das gleichmäÃige, monotone Rauschen der Stadt, und der Ton schraubte sich spiralförmig durch die weit geöffneten Fenster ins Zimmer. Hier jedoch waren nur wir, die Schritte auf dem Gang wurden vom Teppich geschluckt und die Stimmen von den Wänden aufgesogen, ehe sie zu uns drangen.
Ich nickte, obwohl er mich nicht ansah. In seinen von vielen Pausen unterbrochenen müden Worten erkannte ich die Bedeutung der Dinge, die seinen Alltag ausmachten, und bezog die wehmütige Hochachtung davor auch auf mich selbst â wer weiÃ, weshalb, vielleicht auch nur, weil er ausgerechnet mir davon erzählte. Mein gekränkter Ãrger von vorhin war verflogen, und ich staunte nur betroffen über meine verwegenen Ansprüche. Wie hätte er sich denn an mich und die Arbeiten meines Onkels, deren Wert ich gar nicht kannte,
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