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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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dort hörte ich, wie er schleppend und stockend erzählte: »Es wäre auch schwierig gewesen, ihm eine ganze Lehrerstelle zu geben, wo er doch so viele Jahre nicht im Amt war … Ich jedenfalls habe getan, was in meiner Macht stand, gleich dreimal habe ich mit dem Direktor gesprochen, ich glaube immerhin, dass Emil es trotz seiner mangelnden Arbeitsdisziplin schafft, wenigstens mir zuliebe, der ich mich für ihn eingesetzt habe …«
    Vor Kälte erschauerte ich in meinem Kleid, dem ersten, das eigens für mich gekauft worden war und das ich mochte, weil es eben nicht aus einem der von Mutter abgelegten umgenäht worden war. Der rosarote Taft war mit kleinen weißen Karos durchsetzt. Zigarettenrauch schwebte in runden Wölkchen aus dem Zimmer und befleckte die blaue Nachtluft. Die Ellbogen auf das Fensterbrett gestützt, blickte ich in die Dunkelheit dorthin, wo ich die Hügel ahnte, von denen die Stadt umgeben war. Dort glitten ständig, mal weg- und dann wieder auftauchend, die schemenhaften Lichter unsichtbarer Autos auf und ab.

Kapitel V
    S ie hatten keine Klingel. Das Haus war unverputzt und das letzte Zimmer noch nicht fertig. Im Sommer gelangte ich, weil es noch keine Treppe gab, über ein schiefes Brett hinein, drinnen lehnte eine alte Leiter an der Mauer, weitere Bretter lagen kreuz und quer. Immer wieder verletzte ich mich an einem der rostigen Nägel, die krumm aus dem gesplitterten weißen Holz ragten, ich war einfach zu ungeduldig, in den leeren Fensterdurchbruch zu klettern. Nur ich stieg hinauf, Jeni kniete unten und flocht sich einen dünnen Zopf ins Haar, der auch gleich wieder aufging. Ich beneidete sie um die Locken über der Stirn und an den Schläfen und war froh, dass sie viel zu dicke Lippen hatte.
    Â»Hast du ihn gesehen?«, fragte sie, sobald ich mich hingesetzt hatte, und dann erzählte ich von Mihai.
    Darauf erzählte sie von Mircea, was ich von vornherein ziemlich langweilig fand, aber über mich ergehen ließ. »Meinst du, der ist jetzt noch mit Lidia zusammen?«, fragte sie mich.
    Ich hatte keine Ahnung, mit wem Mircea gerade zusammen war, aber ich zwang mich, entsprechende Überlegungen anzustellen, wobei ich mir insgeheim meine Gleichgültigkeit vorwarf. »Das glaube ich nicht, wie ich ihn kenne, kann ich mir nicht vorstellen, dass er sie mag … Aber die Jungs sind ja anders …«
    Â»Auch wenn da etwas war, ich glaube, das ist vorbei, Lidia ist auch mit Silviu gegangen, als sie mit Mircea zusammen war, vielleicht hatte sie auch mit beiden was …«, fiel mir Jeni ins Wort.
    Â»Vielleicht gerade deshalb …«, antwortete ich in der Hoffnung, das habe sie hören wollen, aber sie redete erst recht weiter, ärgerlich, weil ich sie nicht hatte ausreden lassen: »Weißt du, er hat sich sehr verändert, als Mircea mit mir befreundet war, da hat er sich ganz anders benommen, das hat mir auch CrăiÅ£a gesagt … CrăiÅ£a hat ihn betrunken aus dem Restaurant kommen sehen …«
    Ich wollte gar nicht daran denken, dass auch sie langweilig finden könnte, was ich erzählte, der Gedanke war mir dermaßen unangenehm, dass ich versuchte, an etwas anderes zu denken. Eine Spinne war an meinem Bein hochgekrochen, ich warf sie auf den staubigen Boden und sprang hinterher, um sie totzutreten.
    Â»Komm her, damit ich das abklopfe, du hast dein Kleid ganz schmutzig gemacht … Wieso setzt du dich auch überall hin?«, rief Jeni.
    Ich zuckte die Schultern. »Na los, klopf es ab«, sagte ich und ging zur Strafe dann sofort nach Hause.
    Eigentlich konnte ich meine Hausaufgaben gar nicht schnell genug erledigen, um wieder zu Jeni zu gehen.
    Mutter ärgerte sich darüber. »Wieso haben die ein Haus gebaut«, fragte sie mich, »wo sie doch nur ein Gehalt haben und ihre Mutter zu Hause sitzt? Und was hat denn die Jeni da für einen Luxus?«
    Ich mochte es nicht, wenn sie so über Jeni redete, und dachte mir, was das denn für ein merkwürdiges Wort war, Luxus, wie der Name eines alten Kinos. Ich ärgerte mich eigentlich nur, weil ich nicht auch zur Schneiderin musste, zur Anprobe. Mir nähte Mutter die Kleider nach Feierabend, mit Jeni aber ging ich zur Schneiderin und wartete in einem dunklen Vorzimmer, wo auf einem Gasherd mit zwei Brennern ständig Essen köchelte und ich einen großen Hund aus Gips auf einem dreibeinigen

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