Der gleiche Weg an jedem Tag
über die allgemeine Gleichgültigkeit, schwerfällig und feierlich erhob. »Morgen heiratet Emil«, sagte er.
»Was? ⦠Das ist ja ⦠Wen denn?«, fragte Mutter. Allzu fröhlich, allzu aufgekratzt. Ihr Blick schweifte langsam über die Möbel, dann vom Glas der Vitrine noch langsamer zu Onkel Ion, als könnte sie etwas nur langsam begreifen oder versuchte etwas für sich zu behalten.
»Nun, das ist ja erst die Bombe«, lachte der zufrieden. »Die Diaconescu, die für Mathe â¦Â«
»Was, ist der verrückt geworden?« Mutters Stimme war schrill vor Empörung. »Wenn die wenigstens jung wäre, dann könnte ichâs ja noch verstehen.«
»Eine, die jung ist und den Emil nimmt?«, lachte Onkel Ion, unverdrossen fröhlich. Ob er noch gar nichts gemerkt hatte?
»Wieso, er ist ein ganz besonderer, ein feinfühliger Mann ⦠Er verdient eine Frau, die ihn versteht und ihn unterstützt«, hielt Mutter in beleidigtem Tonfall dagegen und betonte die letzten Worte.
»Sie ist eine unternehmungslustige Frau mit Sinn fürs Praktische, genau was ihm fehlt«, sagte Onkel Ion, als hätte er sie nicht gehört. »Dass sie gleich alt sind oder sie vielleicht ein paar Jahre älter, was macht das schon aus â¦Â«
»Was die Leute einem aber auch für Ãberraschungen bereiten im Leben«, hauchte Mutter und sank langsam auf einen Stuhl.
»Ganz und gar nicht«, entgegnete BiÅ£Ä mit einem Zahnstocher im Mundwinkel. »Gerade so was kann man von einem Menschen wie ihm erwarten ⦠Alle Welt glaubt, er hätte den Kopf in den Wolken, dabei sind das die groÃen Egoisten, die es sich im richtigen Moment bestens einzurichten wissen. Ich glaube, ich kenne ihn sogar. Ist das nicht so einer, der die Taschen ständig voller stumpfer Bleistifte hat?«
Er stand auf, schob die Stühle beiseite und ahmte Emils zaghaft tapsenden Gang nach, wobei er seine kräftigen Schultern hängen lieà und zum Zeichen trauriger Verträumtheit die üppig schwellenden Lippen an den Mundwinkeln nach unten verzog. Für einen Augenblick legte sich die unsichere Höflichkeit des Herrn Emil in zerknitterten Falten über ihn, alle lachten wir unser grausames, insgeheim schuldbewusstes Lachen und versammelten uns um den Tisch.
»Und worauf trinken wir jetzt? Doch nicht auf den!«, rief BiÅ£Ä. »Wir haben doch unsere eigenen Freuden â¦Â« Er wandte sich zu mir und sah mich wortlos an. »Du hast Glück«, sagte er nach einer Weile.
Ich machte groÃe Augen und wäre fast errötet unter seinem Blick. Ich fürchtete, er würde etwas aussprechen, was ich bis dahin geheim gehalten hatte.
»Ich weià es ganz sicher, ab diesem Jahr verlaufen die Aufnahmeprüfungen anders ⦠Es gibt Anweisungen, dass die Akte nicht mehr in Betracht gezogen wird. Und darüber hinaus â¦Â«
Ich sah ihn gelassen an, als hätte ich das immer schon gewusst. Jede neue Bewegung der Welt war für mich bestimmt und ein Zeichen zu meinen Gunsten, denn mir sollte nichts Unerwartetes passieren â¦
»Aber wahrscheinlich wisst ihr es ja schon â¦Â« Wieder schwieg er und sah Mutter fragend an. Da sie aber stumm blieb und nur mit reglos geweiteten Augen langsamer atmete, sagte er: »Victor ist drauÃen, seit fast einem Monat â¦Â«
»Seit fast einem Monat?«, fragte Mutter. Und ich spürte, wie sie ihre Stimme senkte, damit sie gefasst klang.
»Ich dachte, er hat euch ein Zeichen zukommen lassen«, fuhr BiÅ£Ä leiser fort. »Er war bei mir und hat sich bedankt, er wusste von der Eingabe und hat alle Pakete bekommen â¦Â«
Ich stand auf und ging zwischen den Möbeln und ihren Körpern hindurch, die stehen geblieben waren wie sperrige Gedanken. Im Vorbeigehen sah ich verstohlen in den Spiegel. Sie sahen mich nicht, und Onkel Ion konnte nicht rufen: »He, hör auf, dich zu bewundern, sieh lieber, wo du hintrittst«, wie immer dann, wenn er mich dabei ertappte, wie ich in den dürftig geputzten stumpfen Vitrinenscheiben nach meinem Abbild suchte. Der Mief der Gewöhnung stand in meinem Gesicht ebenso wie in dem Zimmer, das sich gegen jede Veränderung sperrte. Von irgendwo drauÃen kam das Unvorhergesehene, aber sobald es angekommen war, verkümmerte es in bekannten Gesten und einförmigen Augenblicken. Oder konnte nur
Weitere Kostenlose Bücher