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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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hingehen, gnä’ Frau«, sagte sie, und weil sie so schnell sprach, sprangen ihre Worte mit Speichelspritzern aus ihrem zahnlosen Mund. »Wieder mit ansehen, wenn sie sich streiten wie die Teufel und mein verfluchter Schwiegersohn loslegt, was, wieder für deine Mutter?, und wie er mir die Bissen zählt. Ich wunder mich schon, gnä’ Frau, was der Mensch ertragen kann, lege einem der da oben bloß nicht all das auf, was man schleppen kann … Nun, ich werd mich auch aufmachen«, sagte sie, zog den Pelz an und zurrte das Kopftuch so fest, dass ich mich fragte, wie sie noch atmen konnte.
    Â»Da ruft jemand«, sagte Mutter, »vielleicht die Nachbarin. Geh doch mal nachschauen, LetiÅ£ia, ich habe ihr die Nussmühle geliehen, und sie hat gesagt, sie bringt sie heute Abend zurück.«
    Â»Der Kuchen ist bei mir nicht geworden wie bei ihr«, sagte die Nachbarin und packte eine Zaunlatte, um sich daran hochzuziehen. »Aber ich kriege ihn schon hin, wenn ich ihn noch ein paar Mal mache.«
    Sie lächelte, und in dem spärlichen Licht, das von der Glühbirne auf der Veranda bis hierher gelangte, glitzerten auf der einen Seite die goldgefassten Zähne. Ich wollte gehen.
    Â»Was war denn gestern, haben die wieder gestritten?«, fragte sie und wies mit dem Kopf nach dem Zimmer des Vermieters.
    Â»Ja«, antwortete ich.
    Hastig packte sie mich mit der mehlbestäubten Hand an der Schulter. »Der Mann ist des Teufels, müsst ihr wissen, des Teufels ist der Mann. Auch uns hat er verklagt bei den Zuständigen, mein Mann will ihn gar nicht mehr sehen … Und Ihre Frau Mutter, die Ärmste, die muss es schon schwer haben, wo sie doch eh so nervös ist … Sie verstehen, Sie sind ja auch kein Kind mehr, so eine Frau mitten im Leben, ohne Mann … Da kann man sein wie auch immer, selbst mit einem Zeichen auf der Stirn, es ist immer dasselbe, verstehen Sie … Und dann auch keinen haben, der einen verteidigt im Fall des Falles, denn der Herr Professor ist ja nun schon älter und von Natur aus viel zu gutmütig …«
    Â»Ja, guten Abend«, sagte ich und hatte plötzlich Mutters barsche Stimme.
    Im Gehen umfasste ich den Griff der Nussmühle krampfhaft mit meinen glitschigen Händen.
    *
    Â»Aha, jetzt könnt ihr aber euer blaues Wunder erleben«, sagte Biţă, als er zum ersten Mal unangekündigt samstags erschien.
    Er hängte seinen pelzgefütterten ballonseidenen Mantel an den Kleiderhaken und öffnete seine Aktentasche. »Veuve Clicquot«, rief er triumphierend.
    Alle starrten wir auf die langhalsige Flasche. Sanft schimmerte das Etikett, und die geflochtene Verdrahtung des Korkens glänzte wie frisch betaut. »Die trinken wir heute Abend«, sagte er, packte sie am Hals und drehte sie nach allen Seiten, damit wir sie besser bewundern konnten. »Zuerst will ich euch aber etwas sagen …«, und dann, als merkte er es jetzt erst: »Wo ist denn Margareta?«
    Â»Die muss gleich da sein«, antwortete Onkel Ion zerstreut. Dann trat er näher, nahm die Flasche in die Hand und betrachtete sie mit einem verschüchterten und ungläubigen Lächeln. »Wo kriegst du denn solche Sachen her, Mensch?«
    Â»Ich hab eben meine Leute, die mich lieben«, lachte er. »Als meine stellvertretende Direktorin letztens nach Frankreich gefahren ist, hat sie mich gefragt, was soll ich dir denn mitbringen dafür, dass du dich so sehr um meinen Sohn gekümmert hast? Der Nichtsnutz hat schließlich die Aufnahmeprüfung zum Außenhandelsstudium bestanden … Nichts will ich, habe ich gesagt, nur einen Veuve Clicquot, damit ich ihn mit meinem Bruder trinke wie in den guten alten Zeiten …«
    Â»Komm schon, meine Liebe, wo treibst du dich denn herum?«, rief Onkel Ion Mutter zu, die in der Tür stand. »Wir warten nur noch auf dich, Biţă hat eine Flasche gebracht, und ich habe eine Bombennachricht …«
    Â»Biţă und eine Flasche, o Wunder«, brummte Mutter, während sie ihre Jacke aufknöpfte.
    Â»Du kennst mich eben kaum!« Biţăs rundes Gesicht wurde spitz vor Ärger.
    Â»Da, schau sie dir an, denn du glaubst ja alles erst, wenn du’s mit eigenen Augen gesehen hast …«
    Â»Jetzt lasst mich doch auch was sagen«, rief der Onkel, aber von uns anderen schien keiner etwas zu erwarten, so dass er sich, verärgert

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