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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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Gefahr und großer Not helfen kann. Und wenn einer nicht reicht, kommen eben alle: Die Nato ist beileibe keine globale Institution zur Überwindung staatlicher Enge, sie ist ein Gewaltkartell altmodischer Staaten.
    Der transnationale Terrorismus ist ein Sonderfall der Globalisierung. Da entwickelt sich nicht eine übernationale, weltumspannende Ordnungsstruktur, wie sie der weltweiten Wirtschaft und der weltweiten Kommunikation zugrunde liegt und wie sie in vielen Bereichen des Lebens auf Staaten begrenzte Ordnungssysteme weitgehend obsolet macht. Gewalt ist kein marktfähiger Gegenstand und auch kein Gegenstand universalistischer Diskurse. Und um vagabundierende, unbeherrschte Gewalt zu bändigen, gibt es historisch nur dieses Instrument: den Staat.
    Wer das nicht glaubt, muss zurück auf null. Die Stunde null der modernen Staatenordnung war der Dreißigjährige Krieg. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 entstand der Friedensvertrag, der die Neuzeit der Macht begründete. Zu furchtbar waren die Verwüstungen, die der jahrzehntelange Kampf um die territoriale Herrschaft von Kirche und Fürstentum mit sich gebracht hatte. Das war europaweit vernetzte, ungebändigte Gewalt. Den Unterschied zwischen Terrorismus und Krieg gab es damals nicht. Der Dauerkrieg war ein Krieg ohne Ziel und Grenzen, er kostete Europa seinen Wohlstand und Millionen Tote. Von nun an sollte gelten: Die Territorien werden in Machtbereiche aufgeteilt, in Staaten, deren Staatsgebiet an der Souveränität ihres Herrschers teilhat. Was drinnen passiert, ist fortan eine innere Angelegenheit und geht niemanden draußen etwas
an. Alles, was draußen passiert, passiert ebenfalls drinnen - im Hoheitsgebiet eines anderen souveränen Staates. Insofern kann nichts passieren, was nicht klar der Zuständigkeit eines Herrschers zugeordnet ist. Gewalt über die Grenzen hinweg ist nur noch möglich als Gewalt eines Staates gegen einen anderen Staat: Das ist in Ordnung, wenn es vorher angekündigt und hinterher ordentlich beendet wird. Und weil dies keine Gewaltausübung von Menschen gegen Menschen ist, sondern eine staatliche Veranstaltung, wird so ein Krieg von staatlichen Bediensteten, den Soldaten, geführt.
    Der Staat, der Kriege führt und in seinem Inneren für Ordnung und Ruhe sorgt, bekam bald darauf einen eigenen Namen: »Leviathan« nannte der britische Philosoph Thomas Hobbes das Staatswesen, das sich so als abstrakte Figur nach mystischem Vorbild als unsterblich auszeichnete - anders als der tatsächliche Inhaber der Macht, der Fürst, der sterben konnte und dann ersetzt wurde. In alten zeitgenössischen Zeichnungen kann man den neu erschaffenen Garanten der äußeren und inneren Sicherheit im Bilde sehen, einen wüsten Kerl mit scharfem Schwert. Die winzigen Glieder seines Kettenhemdes sind aus Menschlein. Sie klammern sich an den Leib des großen Beschützers - und beschützen ihn zugleich. Ist der Leviathan für die Menschen da - oder sind die Menschen für den Leviathan da? Das Verhältnis zwischen Volk und Staat ist, wie wir sehen, bis heute nicht entschieden.
    Damals war, so drückt es der Berliner Politologe und Kriegsexperte Herfried Münkler aus, »ein Pluriversum gleichberechtigter Staaten« entstanden, verabschiedet war das alte imperiale Modell. Solange das Modell funktionierte, war Ruhe - die Ruhe der Symmetrie. In der bis heute als »westfälische Ordnung« bezeichneten Friedensordnung konnte sich, weil alle Staaten prinzipiell gleichberechtigt waren, eine Außenpolitik auf Augenhöhe, ein Regime von Friedensregeln entwickeln, das im gegenseitigen Interesse zu beachten war. Dazu gehörten auch die Regeln über den Krieg, der niemals wieder so werden sollte wie
der Dreißigjährige und darum »eingehegt« (Münkler) wurde, im gegenseitigen Interesse als Angelegenheit uniformierter Gentlemen weitab von der Zivilbevölkerung auf dem Felde durchzuführen. Selbst die preußische Macke der zackigen Bewegungen und der strammen Marschordnung, berichtet Münkler, sei der gegenseitigen Pflicht geschuldet gewesen, die interstaatliche Gewalt in anständiger Form walten zu lassen. Wenn sich ein preußischer Soldat beim Einmarsch in fremdes Territorium aus der Kolonne schlich und eine Magd der gegnerischen Zivilbevölkerung vergewaltigte, fiel er schon deshalb auf, weil er die Kolonne aus dem Gleichschritt brachte. Die Folge: Kriegsgericht.
    Wer nun, da sich irreguläre Gewalt erneut breitmacht in der Staatenordnung, die Symmetrie, die

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