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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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weit aufgebogen werden, bis alles darunter passt, was die Sicherheitsbehörden - in der Regel auf Hinweis aus dem Ausland - unter ihre Kontrolle bringen wollen. Wer sich mit den im Zweiten Teil diskutierten Neuerungen des Polizeirechts befasst, wird einräumen müssen, dass dies nur eine geringfügig polemische Zuspitzung ist. Weil die Informationen, die tatsächlich die Annahme einer konkreten Gefahr zulassen würden, auf Sachverhalte verweisen, die außerhalb der Reichweite des deutschen Rechts liegen, wird die Eingriffsvoraussetzung der »Gefahr« zur Voraussetzung herabgestuft, dass ein
»Gefährder« im Zugriffsbereich der deutschen Behörden sein Unwesen treibt. Je weiter der Kreis der in Betracht kommenden inländischen Anknüpfungspunkte gezogen wird, desto vager müssen notwendig die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Rechtsnormen werden, die exekutives Handeln steuern. Ein Beispiel dafür ist die im Zweiten Teil vorgeführte Befugnis, in den Computern von »Gefährdern« zu spionieren: Nur scheinbar knüpft sie noch an das Vorliegen einer Gefahr an. 18 Dies ist nicht nur zerstörerisch für den Rechtsstaat und damit für den Rechtsschutz der Bürger, es stellt die Exekutive Stück für Stück von gesetzgeberischer Begrenzung frei - und damit vom demokratisch verankerten Risikokonsens. Es ist ebendiese Entwicklung, die von der Soziologin Saskia Sassen für Amerika diagnostiziert wurde: Die Exekutive koppelt sich ab von parlamentarischer Kontrolle, indem sie sich beliebig interpretationsfähige Gesetze verschafft. Eindrucksvoll beschreibt die Wissenschaftlerin 19 , wie sich der amerikanische Kongress im »Krieg gegen den Terror« - leichtfertig, mutwillig? - lange unbegrenzte Vollmachten abhandeln, ja sogar, an der Nase herumführen ließ, bis der damalige Justizminister stolz verkünden konnte: »The rules have changed.«
    In Deutschland ist es noch nicht so weit. Niemand würde dem Berliner Innenministerium unterstellen können, es beteilige sich an einer rechtsstaatswidrigen Verschwörung zulasten des Parlaments. Andererseits muss sich jeder Abgeordnete des deutschen Parlaments fragen lassen, warum er derart unsäglichen Normen wie etwa dem Paragrafen 129b oder so betrügerischen Formulierungen wie denen im neuen BKA-Gesetz zugestimmt hat. Schon einmal sind die Bundestags-Parlamentarier in Verdacht gekommen, von ihrer Aufgabe überfordert zu sein. Das war, als sich Abgeordnete der Rot-Grünen Koalition vor dem Bundesverfassungsgericht 2005 öffentlich dafür rechtfertigen mussten, warum sie die europäischen Vorgaben für das Gesetz zum Europäischen Haftbefehl einfach übernommen hatten, ohne sich um ihre Verfassungswidrigkeit zu scheren.
    Die Erkenntnis, dass der Staat nicht ohne erhebliche Folgen für seine Glaubwürdigkeit und seine Funktionsfähigkeit den Handlungsbereich der inneren Sicherheit erweitern kann, führt freilich nicht unbedingt dazu, dass wir Bernhard Schlink zustimmen. Seine These, dass der Rechtsstaat sich immer zu helfen weiß, ist nicht bewiesen. Aber wir wissen jetzt, dass wir sie gern bewiesen hätten. Denn so lange da ein »ungutes Gefühl« bleibt, werden die Hüter der inneren Sicherheit versuchen, an ihren Außengrenzen zu rütteln.

Drittes Kapitel
    Im Niemandsland
    Ein ungutes Gefühl hatte auch Bill Clinton. Und das rettete Osama Bin Laden wahrscheinlich das Leben. Der Präsident verfügte über Namen und Adresse des Mannes, der wie kein anderer die Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohte. Doch was konnte man gegen ihn tun? Nie zuvor hatte sich der mächtige amerikanische Präsident so machtlos gefühlt.
    Während Clinton im Weißen Haus residierte, wohnte Osama Bin Laden, schon damals der erklärte Feind Amerikas und Drahtzieher diverser Attentate, zeitweise auf der Tarnak-Farm, einer alten festungsähnlichen Anlage inmitten wilder Salbeisträucher im afghanischen »Nowhereland« nahe Kandahar. Die kleine Siedlung steht heute noch, von Mauern aus Lehm umgeben, eine Ansammlung von Hütten für die Landarbeiter, ein in den Zeiten des kommunistischen Regimes aus Beton gegossener Bürotrakt, in der Mitte ein eingeschossiger Flachdachbau, die Residenz: Da hielt sich die ganze Familie Bin Laden auf - dazu die Familien enger Freunde.
    Schon 1998 hatte die CIA vor, den Feind der westlichen Welt dort zu überfallen und zu kidnappen. Doch dem Weißen Haus schien das zu gefährlich. Dann gab es immer wieder Pläne, eine Rakete in die Tarnak-Farm zu schießen. Wie es hinter

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