Der globale Polizeistaat
spät ist, unangemessen groß werden: Gegen überfallsartige Angriffe aus der Luft ist so kaum etwas zu unternehmen.
Allerdings wird nach solchen Grundsätzen nicht alles, was sich den Instrumenten der inneren Sicherheit entzieht, automatisch
zum Gegenstand der äußeren Sicherheit, also zur kriegerischen, mit den Mitteln des Krieges zu bekämpfenden Bedrohung. Es gilt vielmehr: Alles, was nicht mit den Regeln der Rechtsordnung eines Staates bekämpft werden kann, kann überhaupt nicht von diesem Staat bekämpft werden - außer es ist Krieg.
Soll man wirklich die Bedrohung durch Bin Laden als Krieg behandeln? Kann man tatsächlich jede schwere Bedrohung, die von außen an die Rechtsordnung herangetragen wird, als Angriff auf die äußere Sicherheit betrachten? Wenn wir das täten, hätten die Politiker recht, die behaupten, innere und äußere Sicherheit ließen sich nicht mehr trennen. Denn viele Bedrohungen haben sehr viele Ursachen, inländische und ausländische, von der Rechtsordnung erreichbare und nicht erreichbare. Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit würden tatsächlich verschwimmen.
Wir könnten uns allerdings zu helfen versuchen, wenn wir von einer Bedrohung der äußeren Sicherheit nur in Fällen sprechen, in denen die Ursachen ausschließlich im Ausland liegen. Das stellt uns vor neue Abgrenzungsschwierigkeiten, denn im Verlauf der Entwicklung des Bösen verändern sich die Faktoren seiner Entstehung auch räumlich. Zu einem frühen Zeitpunkt finden die Vorbereitungen des Attentats beispielsweise mit Flugzeugen auf New York ausschließlich außerhalb des Geltungsbereichs der amerikanischen Rechtsordnung statt. Irgendwann reisen die Täter aber ein, irgendwann besteigen sie amerikanische Flugzeuge, irgendwann übernehmen sie womöglich das Steuer - welcher Zeitpunkt soll maßgeblich sein?
Bei der Entscheidung zwischen Krieg und Frieden kommen wir nur weiter, wenn wir beim Angriff auf die äußere Sicherheit ein besonderes Merkmal identifizieren, an dem wir erkennen können, welche Gewalt nun speziell den Krieg auszeichnet. Dieses Merkmal war herkömmlich die Bedingung, dass die Ursachen der Bedrohung von einem anderen Staat gesetzt sind: der für Europa klassische Fall des Krieges. Die Abgrenzungsprobleme entstanden ja erst, als Privatleute wie Krieger in einen Kampf zogen, der nun gemeinhin »asymmetrischer Krieg« genannt
wird. Dabei ist dieses Wort eine sehr problematische Bezeichnung: Lange Zeit war das Kennzeichen des Krieges gerade seine Symmetrie. Er war auf dem alten Kontinent eine Auseinandersetzung zwischen Staaten auf Augenhöhe. Das Gegenargument, es habe in der Geschichte schon immer asymmetrische Kriege gegeben, auf die Symmetrie könne es also nicht ankommen, gilt ja nicht für die Kriege, um die es uns geht: Mit der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols ist unbestritten, dass die Gewalt von Menschen rechtswidrig und damit als Rechtsbruch eine Sache der inneren Sicherheit ist. Man müsste, um dieses Gegenargument aus der Welt zu bringen, streng genommen darauf beharren, dass es asymmetrische Kriege seit dem Ewigen Landfrieden in Europa nicht mehr gibt.
Doch auch dem amerikanischen Präsidenten nützt es nichts, Kriege einfach wegzudefinieren. Es lässt sich aber festhalten, dass es gar nicht so einfach ist, ein Merkmal des Krieges zu finden, das sowohl auf symmetrische wie asymmetrische Kampfsituationen passt. Die Völkerrechtswissenschaft hat sich damit beholfen, dass sie Fälle isolierte, in denen die privaten Gewaltunternehmen staatlich mehr oder weniger direkt gesponsert wurden - sodass sie indirekt an der staatlich organisierten Gewalt teilnahmen und »quasi« symmetrisch mit dem angegriffenen Staat operierten. Doch die insoweit bestehende Einigkeit hat neuen Streit in der Frage gebracht, wie es sich denn dann in Fällen verhält, in denen der Staat die Umtriebe von Terrortrupps zwar nicht unterstützt, aber aus Unwillen oder Unfähigkeit nichts mit den Mitteln seiner Rechtsordnung gegen sie unternimmt. Dieser letzte, umstrittene Fall aber ist es, der immer häufiger wird. So werden innerlich schwache Staaten wie Pakistan zum Hort von Terroristen.
Ebenso auf eine De-facto-Symmetrie stellt die Übung der Kriegsrechtler ab, ihr Recht auf Situationen anzuwenden, in denen eine nicht staatliche Kampfgruppe derart gut organisiert und machtvoll ist, dass sie dem Staat als Konkurrent gegenübertreten kann. Das wurde in einem Zusatzprotokoll zu den
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