Der globale Polizeistaat
Deutschen fing, sondern weil die deutschen Ermittler sich vom Nachbarn als Weicheier hingestellt sahen, die nicht mal Topterroristen kriegen.
Siehste!, würde Schäuble sagen: Es geht doch nicht, mit der Begrenzung auf die eigene Rechtsordnung. Es kann nicht angehen, dass die anderen mehr können und dann unsere Terroristen fangen.
Herr Schlink? »Man muss«, sagt Schlink, »solche Fälle in internationaler Zusammenarbeit lösen.« Nicht umsonst gebe es ja eine Verknüpfung von staatlichen Rechtsordnungen, das reiche aus, um grenzübergreifende Situationen rechtsstaatlich zu regeln. Doch im Fall Ganczarski bleibt trotzdem ein ungutes Gefühl: Ist die deutsche Rechtsordnung eigentlich ausreichend für den internationalen Terror, wenn wir Fälle nicht in den Griff bekommen, die andere, weitaus weniger zuständig, im Handumdrehen lösen?
Das ungute Gefühl hat deutsche Rechtspolitiker auf Veranlassung der Europäischen Union dazu gebracht, an der Rechtsordnung zu drehen: Der neue Paragraf 129b Strafgesetzbuch stellt die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland unter Strafe. Zur Zeit der Jagd auf Ganczarski galt das noch nicht - »hätte es damals einen Paragrafen 129b gegeben«, sagt Terroristenjäger Horst-Rüdiger Salzmann von der Bundesanwaltschaft, »wäre der Fall sicher anders bewertet worden« 16 . Dann hätte man den deutschen Tunesien-Freund zumindest mit dem dringenden »Tatverdacht« belegen können, Mitglied im selben Verein zu sein wie der Attentäter, von dem er sich so freundschaftlich verabschiedet hatte. Und nach Auftauchen des Videos hätte wohl jeder Haftrichter mitgemacht.
Nun wissen wir aber, dass die Erfindung des Paragrafen 129b eine Kateridee war. Das ungute Gefühl, so wurde oben ausgeführt 17 , lässt sich so nicht beseitigen, es wird noch schlimmer. Wir sind nun allerdings in der Lage, das Unwohlsein zu lokalisieren. Paragraf 129b macht nicht nur Unrecht im Ausland zur Sache der inneren Sicherheit (es war ein unglücklicher Zufall, dass auch Deutsche unter den Opfern in Djerba waren), er knüpft auch Straffolgen an Ursachen der Rechtsgutverletzung, die »an sich« der Reichweite der deutschen Rechtsordnung entzogen sind. Mit »an sich« ist gemeint: Der Tatbestand »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland« kann nahezu von jedermann überall auf der Welt erfüllt werden, ohne dass der deutsche Staat sich auch nur vornehmen kann, dies zu verhindern. Denn die deutsche rechtliche Polizeigewalt würde natürlich nicht reichen, eine Mitgliedschaft etwa in Somalia oder auch nur in Tunesien zu verhindern. Die Polizei wäre schlicht »nicht zuständig«. Ein Staat, der Strafrechtsfolgen an Sachverhalte knüpft, die er weder wirksam verbieten noch rechtmäßig verhindern kann, macht sich nicht gerade glaubwürdig. Die Sache wird nicht besser dadurch, dass im Fall Ganczarski der Täter ein Deutscher war: Paragraf 129b setzt dies - in der möglicherweise berechtigten Annahme, dass viele Terroristen aus arabischen Ländern
kommen - keineswegs voraus. Es gibt zwar in seltenen Ausnahmefällen staatsübergreifende Strafrechtsbefugnisse im Völkerstrafrecht, dort betrifft es aber die Verletzung von Rechtsgütern einer nicht staatlichen Rechtsordnung. Dazu kommen wir später. Paragraf 129b des Strafgesetzbuches ist, um es schlicht zu sagen, eine Einmischung in Angelegenheiten, die den deutschen Staat nichts angehen.
Die problematische Erfindung des Weltrechtsparagrafen in der Provinz des deutschen Rechts lässt ein Prinzip ahnen, nach dem in der deutschen Rechtsordnung zunehmend das beschriebene ungute Gefühl bekämpft wird: Weil unsere Rechtsmacht nicht reicht, um an die Ursachen des Bösen im Ausland heranzukommen, müssen wir die rechtlichen Möglichkeiten erweitern, neue Anknüpfungspunkte für polizeiliches Handeln vom Inland aus zu finden. Diese Strategie verschiebt nicht die Grenzen zwischen innen und außen - sondern die inneren Grenzen des Rechtstaates. Beispiel 129b: Weil die Polizei keine Möglichkeit hat, die Ursachen des internationalen Terrorismus im Ausland zu bekämpfen, müssen eben auswärtige Ursachen zur inneren Straftat erklärt werden.
Die Strategie, mangels Rechtsmacht im Ausland Anknüpfungspunkte für das Vorgehen gegen Personen im Inland zu finden, der Import von Unrecht, führt zu der im Zweiten Teil ausführlich diskutierten Verhunzung des Rechtsstaates. Die klassischen Eingriffsvoraussetzungen der inneren Sicherheit müssen so
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