Der globale Polizeistaat
Projekt der Kommission: Die Registrierung sämtlicher Fluggäste innerhalb Europas. Darüber hinaus sollen die für die USA bestimmten Daten auch durch die EU-Mitgliedsländer genutzt werden können.
Noch gefährlicher ist freilich die Ausbreitung der digitalen Viren fremder Staaten innerhalb der EU. Daten stinken ebenso wenig wie Geld, egal, ob sie aus den Foltergefängnissen der CIA oder von den Militärspitzeln Pakistans stammen. Informationen, die in Deutschland oder Europa niemals gewonnen werden, geschweige denn vor einem Gericht verwendet werden dürften, können so gewaschen werden wie Geld der Mafia. Und der Bedarf an schmutzigen Details über den Terror ist auch im zivilisierten Deutschland unbegrenzt. »Kooperation«, lehrt Schäubles scharfer Staatssekretär August Hanning, »erfordert, dass wir mit internationalen Standards in den Ermittlungsmethoden Schritt halten oder im Wettbewerb um Informationen leer ausgehen.« Ein leitender Ermittler der Bundesanwaltschaft hat schon gefordert, nicht so genau hinzusehen, wenn bei der Terrorermittlung ausländische Beweismittel verwendet werden 32 , und bei den deutschen Geheimdiensten schaut man sowieso nicht so genau hin: Natürlich, erklärte der BND-Chef Ernst Uhrlau, sei man empört, wenn es stimme, dass in Guantanamo gefoltert werde. »Die US-Seite hat uns allerdings auch erklärt, dass die Informationen, die bei den verschiedenen Verhören gewonnen wurden, für die Verhinderung weiterer Anschläge erheblich gewesen sind. Wir haben davon unter dem Gesichtspunkt der Abwehr und
der Strukturaufklärung der Netzwerke profitiert, nicht aber in Strafverfahren.«
Darum muss man, wie Wolfgang Schäuble vertritt, nicht nur im europäischen, sondern auch im weltweiten Maßstab den unterschiedlichen Vorstellungen von Freiheit und Sicherheit Vertrauen und Anerkennung zollen. Es gebe, sagt Schäuble, nun mal »unterschiedliche Rechtstraditionen« und »nach meiner Einschätzung auch die Erfahrung, dass wir Bedrohungsrisiken unterschiedlich wahrnehmen.« Dies gelte im Verhältnis zu Amerika ebenso wie »auch innerhalb der Europäischen Union«. In der Annäherung an das US-Verständnis von Rechtsstaat hat der deutsche Innenminister im März 2008 einen wichtigen Schritt voran gemacht: Da schloss Deutschland nahezu unbeachtet mit den Vereinigten Staaten ein Abkommen, das dazu geeignet ist, den europäischen Datenverbund weitgehend zu globalisieren.
»In dem Bestreben, durch partnerschaftliche Zusammenarbeit schwerwiegende Kriminalität, insbesondere Terrorismus, wirksamer zu bekämpfen«, heißt es da in der getragenen Sprache des Völkerrechts, und »in dem Bewusstsein, dass der Austausch von Informationen ein wesentlicher Faktor bei der Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität, insbesondere des Terrorismus«, sei, im Übrigen dem »Beispiel des Vertrags von Prüm« folgend, der den europäischen Datenverbund begründete, weiterhin »in der Erwartung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union dieses Abkommen als Beispiel für vergleichbare Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und diesen anderen Mitgliedstaaten ansehen könnten«.
So geht das immer weiter - kaum jemand macht sich die Mühe, so etwas Unverdauliches zu lesen. Ohne Luft zu holen verkaufen die Juristen des Völkerrechts mit schönen Worten den europäischen »Raum der Sicherheit« an Amerika. Nach diesem Vertrag dürfen die Beauftragten der europäischen und amerikanischen Sicherheit in Berlin und Washington einander sämtliche Daten über »Gefährder« frei mitteilen. Vorgesehen ist darüber hinaus
der automatisierte Abruf von DNA-Profilen und biometrischen Daten. Die USA bekommen unbegrenzten Zugriff auf deutsche Datenbanken. Die überspielten Daten können weiter in Umlauf gegeben werden. Unter »Schutz der Privatsphäre« ist geregelt: »Die Vertragsparteien verpflichten sich, personenbezogene Daten nach Treu und Glauben und nach ihren jeweiligen Rechtsvorschriften zu verarbeiten.« Gemessen am Datenschutzstandard in den USA klingt das wie eine Drohung.
Die Globalisierung des Europäischen »Raums der Sicherheit« scheint komplett. Doch wer im weltweiten Antiterrorkampf nur Informationen austauscht und Bürger mit schwarzen Listen verfolgt, könnte auf Dauer in die Defensive geraten. Der ehemalige BND-Vize und heutige Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Rudolf Adam, betont: »Dschihadismus ist eine universelle
Weitere Kostenlose Bücher