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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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dachte anders und fuhr fort:
    „Euer Stand?“
    Stets herrschte dasselbe Schweigen. Die Zuhörer aber begannen einander anzusehen und zu flüstern.
    „Genug!“ begann der unerschütterliche Auditor aufs neue, als er glaubte, der Angeklagte habe die dritte Antwort gegeben. „Ihr seid angeklagt, primo: nächtlicher Friedensstörung, secundo: eines entehrenden Angriffs auf die Person eines Freudenmädchens; tertio: der Rebellion gegen die Häscher von der Ordnung des Königs; gebt Erklärung über alle drei Punkte. Schreiber, habt Ihr, was der Beklagte ausgesagt hat, niedergeschrieben.
    Bei dieser unglücklichen Frage erhob sich von der Kanzlei bis zur Versammlung ein so heftiges, ansteckendes, allgemeines Gelächter, daß die beiden Schwerhörigen es wohl bemerken mußten. Quasimodo drehte sich um, seinen Höcker verächtlich in die Höhe hebend, während Meister Florian, gleichfalls erstaunt, die Vermutung hegte, das Gelächter sei durch eine unehrerbietige Antwort des Angeklagten erweckt, die für ihn durch das Erheben des Höckers sichtbar ward. Er fuhr ihn deshalb zornig an:
    „Schelm, Ihr gabt da eine Antwort, die den Strang verdient. Wißt Ihr, mit wem Ihr sprecht?“ Dieser Verweis war nicht dazu geeignet, den Ausbruch der allgemeinen Munterkeit aufzuhalten. Er schien allen so sonderbar, daß ein fast wahnsinniges Gelächter sogar die Schildwache stehenden Sergeanten ergriff, zu deren Stand die Dummheit Erfordernis war. Nur Quasimodo blieb ernst, weil er von allem was um ihn vorging, nichts begriff. Der Richter, stets gereizter, glaubte in demselben Tone fortfahren zu müssen; denn er hoffte, den Beklagten dadurch mit einem Schrecken zu erfüllen, der auf das Auditorium einwirken müßte, um diesem wieder Achtung einzuflößen.
    „Also, Meister Schelm und Dieb, der Ihr seid, wagt Ihr’s, dem Auditor des Châtelet die gebührende Achtung zu verweigern? Wißt Ihr, daß ich Florian Barbedienne heiße, Stellvertreter des Prévot, Kommissar, Untersuchungsrichter, Kontrolleur mit gleicher Gewalt in der Prévoté, im Amt und Präsidium bin …“
    In diesem Augenblick öffnete sich die niedrige Tür im Hintergrund und herein trat der Herr Prévot in Person.
    Meister Florian blieb bei seinem Eintritt nicht stecken; die Rede, womit er Quasimodo andonnerte, richtete er plötzlich an den Prévot und sprach: „Gnädiger Herr, ich verlange eine Strafe, wie sie Euch beliebt, für den hier stehenden Angeklagten, wegen schwerer, ja unerhörter Beleidigung des Gerichts.“
    Herr Robert d’Estouteville runzelte die Stirn und verlangte von Quasimodo Aufmerksamkeit mit so gebieterischer und deutlicher Bewegung, daß der Taube den Sinn verstand. Dann sprach er streng: „Schelm, warum bist du hier?“
    Der arme Teufel glaubte, der Prévot frage nach seinem Namen, brach sein gewöhnliches Schweigen und erwiderte mit rauhen Kehltönen: „Quasimodo.“
    Die Antwort paßte so wenig auf die Frage, daß jenes tolle Gelächter aufs neue ausbrach. Robert rief, gerötet von Zorn: „Schuft, willst du mich auch verhöhnen?“ – „Glöckner in Notre-Dame“, erwiderte Quasimodo; denn er glaubte seinen Stand müßte er dem Richter erklären. – „Glöckner!“ rief der Prévot zornig. „Glöckner! Auf den Kreuzwegen von Paris lass ich ein Glockenspiel von Stöcken auf deinem Rücken spielen! Hörst du, Schelm?“
    „Wenn Ihr mein Alter zu wissen wünscht“, sagte Quasimodo, „so glaube ich, daß ich am Tage Sankt-Martins zwanzig Jahre alt werde.“
    Das war zu stark. Der Prévot konnte es nicht länger aushalten. „Ha, Elender“, donnerte er, „du willst die Pévoté verhöhnen! Ihr Herren Sergeanten der Rute, führt den Schelm auf den Schandpfahl des Grèveplatzes, prügelt ihn und laßt ihn eine Stunde stehen. Gottes Haupt, dafür soll er büßen!“
    Sogleich schrieb der Schreiber das Urteil nieder. „Gottes Bauch!“ sprach Jehan Frollo in seinem Winkel, „das Urteil ist gut gesprochen.“
    Der Schreiber überreichte das Urteil dem Prévot, der sein Siegel aufdrückte und fortging, die Runde in den verschiedenen Gerichtssälen zu machen. Er war in solcher Laune, daß er alle Gefängnisse von Paris an dem Morgen hätte bevölkern mögen. Jehan Frollo und Robin Poussepain lachten sich ins Fäustchen; Quasimodo betrachtete seine Umgebung erstaunt und gleichgültig. Der Schreiber aber empfand in dem Augenblicke, wo Meister Florian das Urteil las, es zu unterzeichnen, einiges Mitleid mit dem armen verurteilten Teufel. In

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