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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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der Hoffnung, eine Verminderung der Strafe zu erlangen, neigte er sich so nahe, wie möglich zum Ohr des Auditors und sprach: „Der Mensch ist taub.“ Er hoffte, diese Gemeinschaft der Gebrechen werde Meister Florian zugunsten des Verurteilten stimmen. Wir bemerkten aber schon, Meister Florian habe nicht gewünscht, man möchte seine Taubheit bemerken. Auch war er so schwerhörig, daß er kein Wort von dem, was der Schreiber ihm sagte, verstand. Dennoch wollte er sich das Ansehen geben, als höre er zu, und antwortete: „Ah so, das ist was anderes; ich wußte das nicht! In dem Fall noch eine Stunde mehr am Schandpfahl.“ Dann unterzeichnete er das so veränderte Urteil.

21. Das Rattenloch
    Der Leser erlaube, daß wir ihn auf den Grèveplatz zurückführen, den wir gestern mit Gringoire verließen, der Esmeralda zu folgen.
    Es war um zehn Uhr morgens; alles deutete auf einen Tag der einem Feste gefolgt war. Das Pflaster war mit allerlei Resten bedeckt: mit Bändern, Federn, Tropfen der Wachsfackeln, Krümchen der öffentlichen Schmauserei. Viele Bürger schlenderten hier und dort umher; das Fest, die Gesandten, Coppenole, der Narrenpapst waren in aller Munde; man wetteiferte in Bemerkungen und Gelächter. Dennoch hatten aber vier berittene Sergeanten an den vier Seiten des Schandpfahls einen großen Teil des auf dem Pflaster zerstreuten Volkes um sich angesammelt, der eine kleine Exekution erwartete.
    Wendet jetzt der Leser von dieser lebendigen und lärmenden Szene den Blick auf das halb gotische, halb romanische Haus la Tour-Roland westlich am Ende des Kais, so kann er an der Ecke der Fassade ein dickes, öffentliches Gebetbuch, ein Breviarium, reich mit Bildern versehen, erblicken, das gegen den Wind durch ein kleines Dach, und gegen Diebe durch ein Gitter geschützt war, das dennoch erlaubte, darin zu blättern. Seitwärts von diesem Breviarium befand sich eine kleine gotische Luke; sie war durch zwei kreuzweise übereinandergelegte Stangen geschlossen und auf den Platz hin gerichtet. Durch diese Öffnung drang ein wenig Licht und Luft in eine kleine Zelle im Erdgeschoß ohne Tür, und in der dicken Mauer des alten Hauses; dort herrschte ein um so tieferer Frieden und eine um so größere Stille, je mehr der volkreichste und lärmendste Platz in Paris ringsum wimmelte und tobte.
    Diese Zelle war schon drei Jahrhunderte lang in Paris berühmt. Madame Rolande de la Tour-Roland hatte sie voll Schmerz über den Tod ihres Vaters in den Kreuzzügen in die Mauer ihres eigenen Hauses graben lassen, um sich dort auf ewig einzuschließen. Von ihrem Palast behielt sie nur diese Wohnung, deren Tor vermauert und deren Luke Winter und Sommer geöffnet war. Alle ihre Habe schenkte sie den Armen und Gott. Die trostlose Dame hatte wirklich zwanzig Jahre lang in diesem Grabe den Tod erwartet. Sie betete Tag und Nacht für die Seele ihres Vaters, schlief in der Asche, hatte nicht einmal einen Stein zum Kopfkissen, hüllte sich in einen schwarzen Sack und lebte von dem, was das Mitleid der Vorübergehenden an Brot und Wasser auf den Rand der Luke legte. Bei ihrem Tode, als sie in ihr zweites Grab stieg, vermachte sie das erstere den betrübten Frauen, Müttern, Witwen oder Mädchen, die viel für sich und andere zu beten hatten und sich in großem Schmerz und großer Buße lebendig verscharren wollten.
    Seit dem Tode der Madame Rolande war die Zelle selten ein oder zwei Jahre leer geblieben. Viele Frauen hatten sich dort eingemauert, den Tod der Eltern und Geliebten oder Sünden zu beweinen. Bis zum sechzehnten Jahrhundert erhielt sich der Brauch, ein Gebäude durch eine kurze Inschrift über der Tür zu erklären. Damals war ja jedes Gebäude ein Gedanke. Da nun in der Mauerzelle von la Tour-Roland sich keine Tür befand, las man über der Luke, in römischen Buchstaben: „Tu, Ora.“ Das Volk, diese Überschrift auf seine Weise deutend, hatte dieser dunklen, schwarzen und feuchten Höhle den Namen Rattenloch* gegeben.

    * Im fünfzehnten Jahrhundert sprachen die Franzosen das u im Lateinischen so wie wir aus. Tu ora bietet also in der Aussprache genug Ähnlichkeit mit Trou-aux-rats (Rattenloch).

22. Geschichte eines Maiskuchens
    Zur Zeit als diese Geschichte sich ereignete, war jene Zelle besetzt. Will der Leser wissen, durch wen, braucht er nur das Gespräch dreier braven Gevatterinnen anzuhören, die im Augenblick, wo wir unsere Aufmerksamkeit auf das Rattenloch richteten, sich zur selben Seite wandten und ihre Schritte

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