Der Glucksbringer
sich die vielen Namen, die Peggy
aufzählte, beim besten Willen nicht merken. Einer hieß Rex und war bei der Luftwaffe, und dann waren da noch ein paar andere, deren Namen sie prompt wieder vergaß. Ein Offizier, ebenfalls in Luftwaffenuniform, fiel ihr spontan ins Auge, weil er der attraktivste Mann in der Gruppe war: groß, mit dunkelbraunen Haaren und strahlend blauen Augen. Er hieß Mike. Als er ihr lächelnd Hallo sagte, überlief ein warmes Kribbeln ihre Wirbelsäule.
»Lust zu tanzen, Jennifer?«, fragte er, bevor Rex oder die anderen ihm zuvorkamen.
Jennifer spähte auf die Tanzfläche, registrierte, dass es kein wilder Jitterbug war, sondern ein moderater Foxtrott. »Ja, gern«, antwortete sie.
Mike war ein guter Tänzer. Er ging nicht auf Tuchfühlung, hielt sie aber auch nicht meterweit auf Abstand. Er hatte weder Schwitzehändchen noch eine Alkoholfahne. Sie hatte genug Tanzveranstaltungen besucht, um zu wissen, dass etliche Männer einen kleinen Flachmann dabeihatten, weil sie sich erst einmal richtig Mut antrinken mussten. Nachher gingen sie dann beim Tanzen in Nahkampfstellung und den Partnerinnen an die Wäsche. Für solche Fälle hatte Peggy ihr Notfallregeln eingeimpft: Komm aus dem Takt, verhedder dich mit den Beinen und tritt ihnen gehörig auf die Hühneraugen. Wenn das nichts nützt, sagst du, du hast Kopfschmerzen, und dann machst du fluchtartig die Mücke.
Bei Mike kam sie gar nicht erst auf solche Ideen: Er tanzte fabelhaft gut. »Ich hab dich hier noch nie gesehen«, sagte sie.
»Ich war in England stationiert. Und bin erst seit Kurzem wieder zurück, für ein Flug-Vorbereitungstraining auf den Lancaster-Maschinen. Alles mal eben so
huschhusch und hoppladihopp, versteht sich.« Er lachte. »Was magst du lieber – wenn ich dich Jenny oder Jennifer nenne?«
Ein Lächeln huschte über ihre Züge. »Jenny ist okay. Dann bist du also Pilot?«
»Nein, Bordingenieur, Spezialgebiet Navigation. Mein Kamerad Rex ist Pilot. Vornehmlich auf den Lancasters.« Er grinste entwaffnend. »Und jetzt zu dir. Erzähl mir von Jenny Smith – ich meine, was machst du so?«
»Ich arbeite bei David Jones, genau wie Peggy. Schuhe, Kurzwaren, manchmal auch in der Herrenabteilung... halt immer da, wo gerade jemand gebraucht wird.«
»Und?«
»In meiner Freizeit stricke ich warme Socken für die Soldaten und helfe beim Roten Kreuz, wo ich Verbandsrollen schneide und wickle, Decken, Kleidung und dergleichen zusammenstelle. Was eben so anliegt.« In ihren braunen Augen blitzte der Schalk. »Alles mal eben huschhusch und hoppladihopp, genau wie bei dir.«
Er warf den Kopf zurück und lachte schallend. »Ich mag deinen Humor, Jenny Smith. Hast du Lust auf eine Tasse Tee? Dahinten, wo es nicht so laut ist und wir uns unterhalten können?«
»Klingt gut.« Es war ein angenehmes Gefühl, ausnehmend angenehm sogar, als er seine Hand unter ihren Ellbogen schob und sie von der Tanzfläche zu ein paar weiß eingedeckten Tischen führte, auf denen große Emaillekannen mit Tee, heißem Wasser und Milch sowie Stapel mit Tassen und Untertellern standen. Daneben Platten mit einfachem Gebäck. O Schreck, Sixpence für eine Tasse Tee mit einem staubtrockenen Keks! Das war wahrlich kein Pappenstiel, allerdings wurde der
Erlös für gute Zwecke gespendet, sann Jenny, während sie sich in die Schlange der Wartenden einreihten. Zum Glück war Mike ein echter Gentleman und lud sie ein.
Ein Gesprächsthema zu finden war für die beiden überhaupt kein Problem. Sie erzählte ihm von ihrer Arbeit im Kaufhaus, wo sie wohnte und wie sie sich ehrenamtlich engagierte. Er berichtete ihr von seinen Kriegserfahrungen und dass er zum Leidwesen seiner Eltern mit neunzehn der Armee beigetreten sei, statt an der Uni Architektur zu studieren. Inzwischen habe er es mit den entsprechenden Schulungen bis zum Bordingenieur gebracht, erklärte er stolz. Und dann sei im letzten Jahr der Abschiedsbrief seiner Verlobten hereingeflattert. Sie habe ihn Knall auf Fall verlassen und einen amerikanischen Soldaten geheiratet.
»Das war bestimmt ein Schock für dich«, murmelte sie mitfühlend.
Er straffte die Schultern. »Damals ja, aber inzwischen bin ich darüber hinweg. Im Großen und Ganzen betrachtet, war es sicherlich das Beste für alle Beteiligten. In Kriegszeiten ist der Dienst bei der Luftwaffe mit … Risiken verbunden.«
Die ersten Akkorde von Glen Millers »American Patrol« erklangen über die Tanzfläche. Mikes Melancholie war
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