Der Glucksbringer
Militärausbildung abgeschlossen hatte und jeden Tag damit rechnen musste, eingezogen zu werden.
Angenehm müde von dem anregenden Abend, nestelte
sie gähnend an dem dekorativen Schal, den sie sich um den Hals geschlungen hatte. Und stellte bestürzt fest, dass die zarte Seide spontan von ihren Schultern glitt, weil... oh Schreck, sie hatte die Topasbrosche verloren!
Ihre Bestürzung verwandelte sich in Panik. Wo mochte das Schmuckstück bloß abgeblieben sein? Sie befühlte ihr Kleid, inspizierte ihren Kamelhaarmantel, tastete suchend über den Teppich, schaute unter dem Bett nach. Nichts. Sie hatte neulich schon bemerkt, dass der Verschluss sehr locker saß, und sich fest vorgenommen, Liam darum zu bitten, den Clip zu reparieren. Warum hatte sie das versäumt? Wo konnte die Brosche noch sein? Ihr Herz sank ins Bodenlose, als ihr die Antwort schwante: irgendwo zwischen ihrem Domizil und dem ihrer Freunde in Glebe! Liam würde sicher ärgerlich sein; diese Brosche bedeutete ihm genauso viel wie ihr.
Sobald er aus dem Bad kam, beichtete sie ihm ihr Missgeschick.
»Ich schau noch mal im Wagen nach«, erbot sich ihr Mann.
»Es kann gut sein, dass ich sie bei Marnie und Bob verloren habe, im Esszimmer oder im Salon.«
Er warf einen Blick auf den Wecker, der auf dem Nachtschränkchen stand. »Die beiden sind bestimmt noch auf. Bob ist eine richtige Nachteule. Wenn sie nicht im Wagen liegt, ruf ich kurz bei ihm an.« Er gewahrte ihre Niedergeschlagenheit und küsste sie auf die Wange. »Kopf hoch, Schatz. Wir finden sie bestimmt wieder.«
Zehn Minuten später rauschte er kopfschüttelnd in ihr Schlafzimmer. »Im Wagen ist sie nicht. Und Bob konnte sie auch nicht finden. Er ist mit der Taschenlampe
extra noch mal nach draußen und hat die Auffahrt abgecheckt – und das Stück Gehweg vor seinem Haus.«
»Es war blöd von mir, sie zu tragen. Ich hab das nur gemacht, weil Marnie sie so toll findet. Wenn wir sie nicht wiederfinden...« Ihr versagte die Stimme. Ihr immer noch jugendlich schönes Gesicht umwölkte sich. »Ich darf gar nicht darüber nachdenken, zu welchen Anlässen ich sie getragen habe«, setzte sie aufgewühlt hinzu.
Corinne wusste genau, wie viel ihm die Brosche bedeutete, dachte Liam. Er bemühte sich, seine Frau irgendwie zu trösten. Sicher, er hatte das Schmuckstück vor vielen Jahren aus tief empfundener Liebe heraus für sie angefertigt, aber wenn sie nun mal fort war, war es doch auch kein Weltuntergang. Seine Frau war dermaßen fertig darüber, dass er sie moralisch aufbauen musste. »Es war doch nur eine Brosche«, meinte er diplomatisch. »Dann mach ich dir eben eine neue; etwas Modernes im aktuellen Design.«
»Aber es war diese Topasbrosche, die uns wieder zusammengebracht hat«, pochte sie hartnäckig.
Er lächelte, überwältigt von seinen Erinnerungen. »Ich weiß. Du hast sie bei der Taufe unserer Kinder getragen, bei meiner Vereidigung als Beisitzer am Randwick Council und«, versetzte er mit einem Anflug von Melancholie in der Stimme, »bei Mas Beerdigung.«
»Die Brosche war schon so etwas wie Familientradition.« Corinne verschränkte ihre Finger, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Kurz vor ihrem Tod verriet deine Mutter mir die Bedeutung der gälischen Inschrift: ›Wer die Brosche trägt, wird die wahre Liebe finden.‹ Vor vielen Jahren, als Stanley sie in deinem Ladenfenster
entdeckte, hoffte Rosemary, dass er sie einer Frau schenken würde. Sie war hellauf begeistert, als sie bestätigt fand, dass es ein Geschenk für mich war. Sie glaubte nämlich nach wie vor fest daran, dass ich die Richtige für dich wäre.« Bei der Erinnerung krampfte sich ihr Herz schmerzvoll zusammen, und sie schluchzte leise.
»Das bist du auch, mein Schatz.« Er hätte sie so gern von ihrem Kummer abgelenkt. Corinne hielt die Brosche in Ehren und glaubte genau wie seine verstorbene Mutter, dass sie ihrer Trägerin Glück brachte, weil ihr besondere Kräfte innewohnten. Und das ließ sich beim besten Willen nicht widerlegen. Sie hatten drei wunderbare, inzwischen erwachsene Kinder. Claire war verheiratet und erwartete ihr erstes Kind, Rose war verlobt, und Michael, ihr Jüngster, war in der Royal Australian Air Force und hatte vor Kurzem seine Ausbildung zum Bordingenieur abgeschlossen. Das Geschäft florierte ebenfalls. Mittlerweile hatte er zwei Juwelierläden in der Innenstadt, und sie lebten in einem großen Haus mit Blick über den Centennial Park. Außerdem hatte er für Notzeiten
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