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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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ihm war, wurde man unsichtbar von Wagner begleitet: »Ist es nicht seltsam, man hört nur ein winziges Stück, den Teil eines Motivs von Wagner, und sofort ist man in seiner Welt …« Nach einem Hauskonzert bei Freunden packte der Hornist des Scharoun-Ensembles sein Instrument gerade ein, da fragte Vicco ihn, ob er Siegfrieds Horn-Motiv spielen könne. Statt einer Antwort holte der Musiker sein Horn wieder aus dem Koffer und spielte einmal vollendet das kurze Motiv. Großer Jubel.
    Auf unserer gemeinsamen Venedig-Reise 1978 saßen wir abends im Caffè Florian auf dem Markusplatz und lauschten der Kapelle mit ihren Potpourris aus Unterhaltungsmusik und klassischen Melodien. »Du sprichst doch Italienisch, frag doch mal, ob die was von Wagner können«, bat er mich. Mir war es etwas peinlich, weil ich fürchtete, mir von dem Leiter der Kapelle eine Abfuhr zu holen, aber ich riss mich zusammen, ging zu ihm und fragte ihn in brüchigem Italienisch, wie es um das Wagner-Repertoire seiner Musiker bestellt sei. Seine Miene hellte sich auf. »Certo«, sagte er und tauschte mit seinen Kollegen ein paar geflüsterte Sätze aus. Als ich wieder an unserem Tisch Platz nahm, erklang auf dem Markusplatz das Preislied aus den »Meistersingern«. Vicco war glücklich, und die Kapelle ließ sich ihr Wunschkonzert königlich entlohnen.
    In Viccos vielfältigen Opern-Erinnerungen gab es auch einen makaber-skurrilen Moment. Vicco war als junger Soldat während des Krieges auf Heimaturlaub und ging in die Staatsoper Unter den Linden. Man gab Verdis »Rigoletto«. Der Rigoletto wurde von dem berühmten Bariton Heinrich Schlusnus gesungen, der ein Hüne war – ganz im Gegensatz zu dem von ihm verkörperten, zwergenhaft verkrüppelten Titelhelden. Mit aufgeklebtem Buckel und gebeugtem Oberkörper versuchte Schlusnus, seiner Rolle äußerlich halbwegs gerecht zu werden. Mitten in der Vorstellung gab es Fliegeralarm. Völlig ungerührt, ja beinahe routiniert richtete sich der verkrüppelte Rigoletto zu voller Körpergröße auf und verließ die Bühne. Sänger, Orchester und Zuschauer gingen geordnet in den Luftschutzkeller.
    Als der Bombenangriff vorüber war – das Haus war diesmal noch verschont geblieben – wurde die Vorstellung fortgesetzt. Die Zuschauer nahmen Platz, der Dirigent hob den Stab, Schlusnus ging auf die Position, in der er zum Zeitpunkt des Alarms gestanden hatte, und krümmte seinen Rücken wieder, um sich erneut in Rigoletto zu verwandeln. Für Vicco war diese Anekdote, außer dem absurden Moment der zweifachen Verwandlung, ein staunenswertes Beispiel dafür, unter welch bizarren Umständen Menschen bereit waren, den Weg in ein Opernhaus zu suchen.
    Selbst als er alt war und oft den Gehstock zu Hilfe nahm, zog es ihn immer noch zu seinem Plattenspieler, um Freunden, leicht gebeugt vor dem Regal stehend, seine Lieblingsstellen vorzuspielen. Meine Töchter gelangten so in den Genuss, von Vicco in Wagners »Tristan« eingeführt zu werden. Der alte Mann schilderte den beiden halbwüchsigen Mädchen die Bewegung, die ihn als jungen Mann ergriff, als der »Tristan-Akkord« sich im Vorspiel der Oper zum ersten Mal in voller Orchestrierung entfaltete: »In dem Moment hat für mich eine Welt begonnen, die bis heute nicht aufgehört hat.«
    Loriot legt auf
    Den »Tristan« haben wir oft zusammen gehört. Von der legendären Aufführung in Bayreuth habe ich schon berichtet. Ähnlich gefeiert wurde Leonard Bernsteins halbszenische Aufführung 1981 im Münchner Herkulessaal, mit Peter Hofmann als Tristan und Hildegard Behrens als Isolde. Auch dies insofern eine nicht alltägliche Aufführung, da sie nicht an einem, sondern an drei Abenden – verteilt über ein Jahr – stattfand. Am Abend des dritten Aktes war Hildegard Behrens erkältet, sang aber dennoch. So erlebten wir eine gelegentlich hustende Isolde und fühlten »La Traviata« und »La Bohème« in den Herkulessaal herüberwehen, eine ungewöhnliche Erfahrung.
    1983 gingen wir in München in die Oper, um dort zum wiederholten Male Verdis »Otello« zu hören. Die Titelpartie sang der Bulgare Spas Wenkoff, die Desdemona war Margaret Price. Wir wurden von Romi und meiner Freundin Claudia begleitet. Wenkoff hatte eine große, aber nicht unbedingt schöne Stimme. Wenn er Wagner sang, überzeugte er mit der schieren Kraft seines Organs, bei Verdi konnte es problematisch werden. Kurz und gut, in der Pause entschlossen sich unsere Damen, die Wenkoff nicht besonders mochten, das

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