Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Lieblingsopern und Arienzusammenstellungen seiner favorisierten Sängerinnen und Sänger zu füllen. Als Zugabe gab es noch eine Sammlung ausgewählter Fotos der Familie und der Möpse, die er auf dem winzigen Display ansehen konnte.
Vicco freute sich wie ein Kind über das Geschenk. Ich erklärte ihm im Schnelldurchgang, wie der Apparat zu bedienen sei. Das Clickwheel war eine ihm vollkommen neue Kulturtechnik. Er staunte, war aber sehr lernwillig und nahm den iPod jeden Abend mit ins Bett, um sich seine gelegentlichen schlaflosen Stunden mit Wagner, Puccini und Verdi zu versüßen.
In der Folgezeit gab es immer mal wieder telefonische Nachfragen, wie er bestimmte Titel, die er eher zufällig ausgewählt hatte, gezielt ansteuern könne. Da aber das Maschinchen nur seine Lieblingsmusik enthielt, fand er immer etwas, was ihm gefiel. Ich entwarf ihm noch eine auf seine speziellen Bedürfnisse ausgelegte Bedienungsanleitung, die ihm bei Problemen weiterhelfen sollte.
Der iPod wurde jedenfalls zu Viccos ständigem Begleiter und reiste zwischen Ammerland und Berlin hin und her. Die Verzückung, die sich auf seinem Gesicht zeigte, wenn er zufällig auf das Arien-Album von Alfredo Kraus gestoßen war, war zu schön anzusehen.
Vicco mokierte sich gern über die Terminologie der neuen Techniken, so wie er sich früher über Amtsdeutsch und Jägerlatein lustig gemacht hatte. Eine E-Mail hieß bei ihm grundsätzlich »Emil«, und CDs wurden in seinem Sprachgebrauch nicht gebrannt, sondern »gebacken«.
Und ich »buk« ihm einiges. Damit er seine Lieblingsschallplatten auch in Berlin hören konnte, nahm ich die Mühe, sie zu digitalisieren, auf CD zu brennen und in den iPod einzuspeisen, gerne auf mich.
Ein Jahr später ging Romi noch einen Schritt weiter. Vicco bekam zu seinem 84. Geburtstag ein iPad. So recht wusste er noch nichts mit dem flachen Ding anzufangen, doch bald schon gefiel es ihm, darauf Patiencen zu legen. Als er eines Abends vollkommen versunken über das iPad gebeugt in seinem Sessel saß und ich ihn fragte, wie er denn mit seinem neuen Gerät klarkomme, antwortete er, ohne aufzusehen: »Och, das Patiencenlegen geht schon ganz gut, nur mit dem Rasieren klappt’s noch nicht.«
Loriot an seinem 84. Geburtstag
In noch einem weiteren Bereich hat die modernste Technik bei Bülows Einzug gehalten. Es handelt sich um »Karl«, der, sehr zum Ärger von Mops Emil, dessen Revier erobert hat. Karl ist ein elektronisch gesteuerter Mähroboter, der den Bülow’schen Rasen mit größter Gelassenheit auf einer perfekt niedrigen Höhe hält. Dass Emil ihn regelmäßig zum Duell fordert, stört Karl wenig. Von Zeit zu Zeit stößt Karl sich an einem Obstbaum, um daraufhin beleidigt umzudrehen, sich einen anderen Weg zu suchen und seine Arbeit dort unbeirrt fortzusetzen.
Wie jeden Sommer verbrachten wir auch 2006, während der letzten Tage der Fußball-WM, einige Tage als Gäste bei unseren Freunden in Ammerland. Ich hatte mir kurz zuvor einen DVD-Recorder angeschafft und erzählte, nicht ahnend, was ich damit in Gang setzen würde, euphorisch von der Möglichkeit, selber DVDs aufnehmen und brennen zu können. Die Mühsal der VHS-Kassetten, die im Recorder zerschredderten Bänder, das ewige Spulen, bis man die gewünschte Stelle gefunden hatte, die fehlenden Kapitelmarkierungen, all dies gehörte auf einmal der Vergangenheit an. Vor allem aber konnte man alte Video-Kassetten kopieren und in DVDs umwandeln.
Trotz seiner 82 Jahre hörte Vicco aufmerksam zu. Die Idee gefiel ihm. Zwei Tage später stand auch in seinem Wohnzimmer ein DVD-Recorder, praktischerweise baugleich mit meinem.
Als Erstes entriss ich Familienaufnahmen, die noch mit der inzwischen komplett veralteten Betamax-Technik aufgenommen worden waren, dem Vergessen. Diese ersten Überspielungen hatten ungeahnte Folgen. Sie waren gewissermaßen der Katalysator für alles, was in den nächsten Jahren geschah.
Gerührt bewunderten Vicco und Romi ihren fünfzehn Jahre zuvor aufgenommenen fünfjährigen Enkel Leopold, wie er mit großer Emphase Cello spielte. Sie hatten die Bänder seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Und plötzlich gab es alles auf DVD.
Ich war glücklich, den beiden mit meinem technischen Know-how eine Freude gemacht zu haben, und suchte in Kellerregalen nach weiteren Kassetten, deren Überspielung lohnte. Dabei stieß ich auf Viccos private VHS-Mitschnitte seiner ersten »Cartoon«-Sendungen.
Als ich die erste Kassette zum Kopieren
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