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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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positive Sichtweise als positiv beurteilen hatte können, sie war doch schlicht: realistisch.
    Und so erwachte er wieder: Dimschs Glaube an die Meisterung des Glücks.

    Vorsichtig öffnete er die Tür des Arbeitszimmers, spähte hinaus. Sophie und die Kleinen waren im Wohnzimmer, spielten auf dem Teppich. Es war ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem Äffchen im Inneren einer durchsichtigen Plastikpalme auf bunten Stäbchen hingen. Je nachdem, wie man die Spielregeln handhabte, je nachdem, ob das Ziel war, möglichst viele Äffchen von der Palme zu holen oder im Gegenteil, die Stäbchen so vorsichtig zu entfernen, dass die Tiere möglichst langeauf der Palme hängen blieben, je nachdem freute oder ärgerte man sich, wenn sie reihenweise herunterpurzelten.
    Sophies Dreijährige ignorierte die eine wie die andere Spielregel, sie hatte den meisten Spaß.
    Schuldbewusst schlich Dimsch näher, kniete sich zu seiner Familie. Eine Weile strafte Sophie ihn mit Ignoranz, blickte schließlich misstrauisch über die Schulter.
    »Ich liebe dich, Schatz«, sagte Dimsch, setzte seine unschuldigste Ministranten-Miene auf, »verzeih bitte, dass ich mich so aufgeführt habe. Du sollst auf jeden Fall wissen, dass ich wahnsinnig glücklich bin mit euch.«
    »Wahnsinnig?«, fragte sie, die Augenbrauen hochziehend.
    »Ja, wahnsinnig.«
    Sophie war mit sich uneins, was sie in diesen Tagen von ihrem Mann halten sollte. Fest stand, die Beschäftigung mit all diesen philosophischen Büchern, aus denen er allabendlich zitierte, bei passender und auch bei gänzlich unpassender Gelegenheit, überforderte ihn. Freilich, sie konnte nachvollziehen, dass ihm der Bürojob nicht genug war. Seit die Kinder ihr Lebensmittelpunkt waren und nicht mehr dieser aufgeblasen wichtige Terminkalender voller Pressekonferenzen, Gesetzesnovellen und Ministerräten verstand sie das nur allzu gut. Aber warum spielte Sebastian nicht einfach öfter mit den Kleinen, erlebte das Glück also hautnah, anstatt es in Büchern zu suchen? Sie wollte ihm keine Vorwürfe machen, hatte für gewöhnlich auch keinen Grund, sich zu beschweren, Sebastian war ein liebevoller Vater und Mann. Außer eben er scheiterte, wie es heute ganz offensichtlich geschehen war, an seinen Ansprüchen, dann war er schlicht nicht zu packen. In solchen Momenten war ein Neandertaler gegen ihn von geradezu kultivierter Vornehmheit.

    Nach dem Abendessen wusch Dimsch das Geschirr ab und setzte sich auf die Couch, um den Kindern wie jeden Abend noch aus einem Buch vorzulesen. Doch heute schienen die Stofftiere spannender, und so saß Dimsch rasch alleine da und blätterte gedankenversunken und müde zurückgelehnt in Mira Lobes
Das kleine Ich bin ich
.
    Irgendwann hatte seine Tochter Erbarmen. Fürsorglich setzte sie ihm ein Stoffschaf zur Seite. Ihr Bruder folgte dem Vorbild seiner kleinen Schwester, und so hatte Dimsch kurz darauf auch Gesellschaft eines couchtischgroßen Elefanten. Es folgten ein Plüschaffe, ein Löwe, ein Pandabär, ein Tausendfüßler, ein Dackel und ein weiteres Wollschaf. Der orangeweiße Hund Lupo, eine Robbe, zwei Katzen, vier Puppen, ein Schwein, ein Stinktier. Ein Biber, eine Kuh, ein Igel, einige Küken, eine Schildkröte, ein Papagei. Im Handumdrehen jedenfalls war Dimsch in eine bunt aufgetürmte Herde Stofftiere gepackt und von ihm nicht mehr übrig als sein Haarschopf, gleichsam Spitze des kuscheligen Tierbergs. Außerdem ragte da noch ein Arm seitlich aus dem Berg. Das nutzte die Kleine, holte den Ärztekoffer aus dem Kinderzimmer und begann sehr gewissenhaft das rosa Blutdruckgerät um Dimschs Handgelenk zu legen. In diesem Moment kam Sophie aus dem Badzimmer.
    »Alles in Ordnung mit Papa, Frau Doktor?«, fragte sie ihre Tochter und hielt sich die Hand vor den Mund. Die Kleine nickte zufrieden, drückte den Blasbeutel, so dass Luft den Zeiger des Ziffernblatts anstieß und Dimschs Blutdruck zwischen zwei und drei hin- und herpendelte, im optimalen Bereich.
    Sophie zeigte ihrem Sohn, dass ein Tier übersehen worden war, und flüsterte ihm eine Idee in sein Ohr. Der Kleine schnappte sich daraufhin den faustgroßen, gelbblauen Eselmit der Spieluhr im Körperinneren, zog an der Schnur, wodurch die Mechanik in Gang gesetzt wurde, und platzierte das Stofftier auf die Spitze des Haufens, Dimschs herausflammenden Schopf.
    Aus dem Eselsbauch erklang metallen hell die Melodie
Schlafe mein Prinzchen, schlaf ein
. Auf dem Teppich saß Sophie mit Tränen in den Augen, und neben ihr

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