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Der Glücksritter

Der Glücksritter

Titel: Der Glücksritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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sich ein anderes Geräusch gestohlen, ein Schrei aus einer menschlichen Kehle.
    Im gleichen Augenblick schrie Sabesch: »König Mythor! Ich werde dich mit Gewalt zwingen, nach Leone zurückzureiten! Nicht weiter!«
    Mythor begriff, dass es Sabesch ernst meinte.
    Aber dann riss das Dröhnen und Gellen der Feuerorgel ab. Das Beben des Bodens hörte auf. Von einem der Schlackenbrockenkegel rutschten einzelne Steine herunter. Ein breiter Spalt öffnete sich in dem Kegel, und ein zweiter, noch lauterer Schrei ertönte.
    Sabesch schrie auf: »Dort oben! Es ist Luxon!«
    Entweder hatte sich Luxon auf dem Berg aus Schlacke, der sich auf rätselhafte Weise bewegte, verstecken wollen oder sich einiges von einem Hinterhalt erhofft. Die Hülle aus kalter Schlacke barst auseinander und gab eine gigantische Pflanze frei, deren lanzenförmige Blätter dicht aneinander lagen und von graugrüner Farbe waren. Hinter jedem der Blätter, die sich jetzt nach außen aufrollten, wurde eine Öffnung sichtbar, eine Art Rachen, der mit langen Dornen bestückt war. An den Spitzen der Blätter schlängelten sich lange, klebrige Fäden, dick wie Seile und von Borsten oder Stacheln besetzt. Eines dieser Fangtaue hielt Luxon umklammert und ringelte sich abwärts.
    Längst hatte Mythor sein Schwert in der Hand. Pandor stieg hoch, der Schneefalke sprang von seinem Horn und landete unbeholfen auf dem Nacken des Bitterwolfs. Die Reaktionen von Sabesch und den wenigen Reitern kamen schnell und sicher. Ihre Waffen fuhren heraus, und dicht nebeneinander griffen sie diese seltsame Pflanze an.
    Keine Rede war mehr davon, dass Sabesch seinen König mit Gewalt in die Stadt zurückbringen wollte. Er brüllte: »Haut dieses Ding in Stücke!«
    Noch mehr Brocken fielen aus der Wand des Schuttkegels wie Teile einer hässlichen Eierschale. Ein weiterer Arm dieser unwirklichen Pflanze peitschte durch die rauchgeschwängerte Luft und wickelte sich eng um Luxons Füße.
    Ein halbes Dutzend Reiter schlug mit Streitäxten und Schwertern auf die schuppenartig übereinander haftenden Blätter los. Jedes Blatt war halb so groß wie ein Mann und bewegte sich, als sei es Teil eines Tieres. Unaufhaltsam wurde Luxon nach unten gezogen und schwebte schreiend und sich erbittert wehrend auf einen der zahlreichen Schlünde zu. Noch war er nicht in der unmittelbaren Nähe von Mythors Schwert.
    Die Reiter aus Leone schlugen wild um sich. Ihre Waffen schnitten tiefe Kerben in die harten, lederartigen Blätter. Ab und zu kappte ein Schwerthieb einen der pflanzlichen Tentakel. Längst waren die Flammen der Orgel erloschen, und nur die Geräusche des erbarmungslosen Kampfes waren hörbar. Ein Reiter wurde aus dem Sattel gerissen, in der Luft herumgewirbelt und in einen der Schlünde geschleudert. Die langen Dornen bohrten sich gierig in seinen Körper, und seine entsetzlichen Schreie brachen ab.
    Die Pflanze war so groß wie ein Haus, und sie war unaufhörlich in Bewegung.
    Das Gläserne Schwert zerschnitt wieder ein Blatt, und die Bruchstücke fielen in den Sand. Das Einhorn trat auf Geröllbrocken und strauchelte.
    Über Mythors Kopf beschrieb die Axt seines Kommandanten blitzende Halbkreise. Ein Pferd wurde von den klebrigen Flagellen ergriffen und in die Dornen hineingezogen. Dieses tödliche Geschöpf schien lange Zeit unter seiner Kruste geruht zu haben, und erst der Versuch Luxons, sich zu verstecken, musste es geweckt haben. Ein großer Schwarm schwarzer Echsen näherte sich mit schrillen Schreien und umkreiste die Kampfstätte. Mythor durchtrennte den Schaft, der Luxons Beine umklammert hielt, und dann entsann er sich seiner Samenzapfen.
    Sie hatten an anderer Stelle gewirkt – vielleicht konnte er damit auch dieses Monstrum besiegen.
    Er holte den ersten Zapfen aus der Gürteltasche, zielte kurz und schleuderte ihn in eines der weit aufgerissenen Löcher, aus denen klebriger Saft geiferte. Die Wirkung ließ lange auf sich warten, und in den folgenden Augenblicken versuchten die Reiter, die Spitzen der Blätter abzutrennen. Aber immer wieder hagelten die klebrigen Fäden auf sie herunter, rissen ihnen die Waffen aus den Händen und hoben mühelos den Kadaver eines erstickten Pferdes in die Höhe. Die Flugechsen stürzten sich wahllos auf alles, was sich bewegte, und auch auf die Fäden und Schlingen des Pflanzenmonstrums.
    Dann wirkte der erste Samen des Lebensbaums.
    Der Schlund schloss und öffnete sich krampfhaft. In seiner Umgebung rollten sich die Dornen zusammen. Das

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