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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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großen Spaß. Die kleine Turnhalle war von Kindergeschrei und dem Quietschen und Gejohle der Daemonen erfüllt, und bald waren alle ängstlichen Gedanken verscheucht — was natürlich der Zweck der Übung war.
     
     
    Als die Kinder zur Mittagszeit wieder in der Kantine anstanden, hörte Lyra, wie Pantalaimon jemand begrüßte, und als sie sich umdrehte, stand direkt hinter ihr Billy Costa.
    »Roger hat mir erzählt, du wärst hier«, murmelte er.
    »Dein Bruder kommt und John Faa und eine ganze Gruppe von Gyptern«, sagte Lyra. »Sie holen dich nach Hause.«
    Fast hätte Billy vor Freude aufgeschrieen, doch er konnte den Schrei gerade noch zu einem Husten unterdrücken.
    »Und du mußt mich Lizzie nennen«, sagte Lyra, »auf gar keinen Fall Lyra. Und du mußt mir alles erzählen, was du weißt, ja?«
    Sie setzten sich zusammen mit Roger an einen Tisch, was beim Mittagessen, wenn die Kinder häufig zwischen den Tischen und der Durchreiche hin- und hergingen und die Kantine überfüllt war, leichter war als sonst. Übertönt vom Geklapper des Bestecks und der Teller erzählten Billy und Roger alles, was sie wußten. Wie Billy von einer Schwester erfahren hatte, wurden die Kinder nach der Operation oft in weiter südlich gelegene Heime gebracht, was erklären konnte, wieso Tony Makarios in der Wildnis umhergeirrt war. Aber Roger hatte Lyra noch etwas Interessanteres zu berichten.
    »Ich habe ein Versteck entdeckt«, sagte er.
    »Was? Wo?«
    »Sieh dir mal das Bild an.« Er meinte das große Photogramm mit dem tropischen Strand. »Siehst du die Deckenplatte über der Ecke rechts oben?«
    Die Decke bestand aus großen rechteckigen Platten, befestigt in einem Gitter aus Metallstreben, und die Ecke der Platte über dem Bild war leicht angehoben.
    »Als ich das gesehen habe, dachte ich, daß es bei den anderen ähnlich sein könnte. Also habe ich sie angehoben, und sie sind tatsächlich alle locker. Sie lassen sich ganz einfach hochdrücken. Bevor dieser Junge weggebracht wurde, haben wir beide es einmal nachts in unserem Schlafsaal ausprobiert. Über den Platten ist ein Zwischenraum, in den man hineinkriechen kann…«
    »Wohin kommt man dann?«
    »Keine Ahnung. Wir sind nur ein kleines Stück hineingekrochen. Wir haben gedacht, notfalls könnten wir uns dort oben verstecken, aber man würde uns wahrscheinlich finden.« Man konnte sich da oben nicht nur verstecken, dachte Lyra, sondern auch irgendwohin gelangen. Das war das Beste, was sie seit ihrer Ankunft gehört hatte. Aber bevor sie sich weiter unterhalten konnten, klopfte ein Arzt energisch mit einem Löffel auf den Tisch und begann zu sprechen.
    »Kinder«, sagte er, »hört mir bitte genau zu. Wir müssen ab und zu einen Probealarm durchführen. Dabei ist sehr wichtig, daß wir uns alle ordentlich anziehen und dann ganz ruhig nach draußen gehen. Deshalb üben wir heute nachmittag Feueralarm. Wenn die Klingel läutet, müßt ihr sofort alles unterbrechen, was ihr gerade macht, und tun, was die Erwachsenen in eurer Nähe sagen. Merkt euch, wohin ihr gebracht werdet. Dorthin müßt ihr nämlich gehen, wenn es wirklich einmal brennt.«
    Hm, dachte Lyra, keine schlechte Idee!
    Am frühen Nachmittag wurden Lyra und vier andere Mädchen nach Staub untersucht. Die Ärzte sagten das zwar nicht, doch war es leicht zu erraten. Die Mädchen wurden nacheinander in ein Labor geführt, und natürlich zitterten sie vor Angst. Wie schrecklich wäre es, dachte Lyra, wenn sie umkäme, bevor sie zuschlagen konnte! Aber offenbar sollte die Operation jetzt noch nicht durchgeführt werden.
    »Wir wollen ein paar Messungen vornehmen«, erklärte der Arzt. Es war schwer, diese Leute voneinander zu unterscheiden: Die Männer sahen sich in ihren weißen Kitteln und mit ihren Blöcken und Stiften zum Verwechseln ähnlich, und die Frauen wirkten in ihren Trachten und mit ihrem seltsam sanften und ruhigen Benehmen, als wären sie alle miteinander verwandt. »Ich bin doch gestern schon gemessen worden«, sagte Lyra. »Aber heute messen wir etwas anderes. Stell dich auf die Metallplatte — ach, zieh bitte zuerst die Schuhe aus. Deinen Dæmon kannst du ruhig festhalten. Die Augen nach vorn — ja, so — sieh genau auf das kleine grüne Licht. So ist es brav…«
    Es blitzte. Der Arzt drehte sie herum, dann nach links und nach rechts, und jedesmal klickte und blitzte es.
    »Ausgezeichnet. Jetzt tritt bitte an diesen Apparat und lege deine Hand in die Röhre. Es tut nicht weh, ich verspreche

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