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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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glaube nicht, daß wir etwas tun können. Am besten setzen wir es in eine fest verschließbare Schachtel und lassen es nie mehr heraus. Viel mehr Sorgen macht mir, daß das andere entkommen konnte. Es fliegt jetzt bestimmt zu Mrs. Coulter zurück und sagt ihr, daß es dich gesehen hat. Verflucht, Lyra! Was bin ich nur für ein Idiot!«
    Er klapperte in einem Schrank herum und fand eine Tabakdose von knapp acht Zentimeter Durchmesser, in der Schrauben aufbewahrt wurden. Er kippte die Schrauben heraus, wischte das Innere mit einem Lappen aus und stülpte das Glas darüber, dessen Öffnung noch immer durch die Pappe verschlossen war. Dann zog er die Pappe weg. Sie hielten beide den Atem an, als eins der Beine der Kreatur freikam und die Dose mit erstaunlicher Kraft wegzustoßen versuchte, doch dann hatten sie es gefangen und drehten den Deckel fest zu.
    »Sobald wir das Schiff verlassen, löte ich den Deckel an, damit das Biest nicht ausbrechen kann«, sagte Farder Coram.
    »Aber ist das Uhrwerk nicht irgendwann abgelaufen?«
    »Wäre es ein normales Uhrwerk, dann ja. Aber wie gesagt, dieses wird durch den Geist, der in ihm steckt, ständig aufgezogen. Je mehr das Biest kämpft, desto mehr zieht es sich auf und desto stärker ist es. Aber laß uns das Ding jetzt wegräumen…«
    Er wickelte die Dose in ein Flanelltuch, um das unaufhörliche Summen und Brummen zu ersticken, und verstaute sie unter seiner Koje.
    Inzwischen war es dunkel geworden, und Lyra sah durch das Fenster, wie die Lichter von Colby langsam näher kamen. Der Dunst verdichtete sich zu Nebel, und als sie am Kai entlang des Räuchermarktes festmachten, konnte man nur noch weiche und verschwommene Umrisse erkennen. Die Dunkelheit ging allmählich in einen silbergrau schimmernden Schleier über, der sich auf Lagerhäuser, Kräne und hölzerne Marktstände legte und das granitene Gebäude mit seinen vielen Schornsteinen einhüllte, nach dem der Markt benannt war und in dem Tag und Nacht im duftenden Rauch von Eichenholz Fische geräuchert wurden. Der Qualm aus den Schornsteinen machte die Luft noch klammer und rußiger, und selbst das Kopfsteinpflaster schien den Geruch von geräucherten Heringen, Makrelen und Schellfisch auszuströmen.
    Lyra ging, in eine Ölhaut eingewickelt und das verräterische Haar unter einer großen Kapuze versteckt, zwischen Farder Coram und dem Steuermann. Die drei Dæmonen erkundeten wachsam die vor ihnen liegenden Ecken, spähten immer wieder nach hinten und lauschten auf den leisesten Schritt.
    Doch außer ihnen war niemand zu sehen. Die Einwohner Colbys saßen alle in ihren Häusern und tranken wahrscheinlich gerade ein Gläschen Genever am warmen Ofen. Auf dem Weg zum Dock trafen sie keine Menschenseele, und dort angekommen, begegneten sie als erstem Tony Costa, der das Tor bewachte.
    »Da seid ihr ja, Gott sei Dank«, sagte er leise und ließ sie hinein. »Wir haben soeben erfahren, daß Jack Verhoeven erschossen und sein Boot versenkt wurde, und keiner wußte, wo ihr steckt. John Faa ist bereits an Bord und will so bald wie möglich los.«
    Das Schiff mit seinem Ruderhaus und dem Schornstein in der Mitte, dem hohen Vorderdeck und dem dicken Ladebaum über einer mit Segeltuch verhängten Luke kam Lyra riesig vor. Bullaugen und Kommandobrücke waren gelb erleuchtet, und an der Mastspitze brannte eine weiße Lampe. Drei oder vier Männer arbeiteten hektisch; woran, konnte Lyra nicht erkennen.
    Sie sprang vor Farder Coram die hölzerne Gangway hinauf und sah sich aufgeregt um. Pantalaimon verwandelte sich in einen Affen und kletterte sogleich auf den Ladebaum, doch Lyra rief ihn wieder zurück; Farder Coram wollte, daß sie sich drinnen aufhielten, unter Deck.
    Einige Stufen tiefer, am Ende eines Niedergangs, lag ein kleiner Salon, in dem John Faa leise mit Nicholas Rokeby sprach, dem Kapitän des Schiffes. John Faa überstürzte nichts. Lyra hatte erwartet, daß er sie begrüßen würde, aber er beendete zuerst das Gespräch über Gezeiten und Lotsen, bevor er sich den Neuankömmlingen zuwandte.
    »Guten Abend, Freunde«, sagte er. »Wie ihr vielleicht schon gehört habt, ist der arme Jack Verhoeven tot. Und seine Jungs wurden gefangengenommen.«
    »Auch wir haben schlechte Nachrichten.« Farder Coram berichtete von ihrer Begegnung mit den fliegenden Geistern. John Faa schüttelte seinen großen Kopf, machte ihnen aber keine Vorwürfe.
    »Wo steckt die Kreatur jetzt?« fragte er.
    Farder Coram zog die Tabakdose heraus und

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