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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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stellte sie auf den Tisch. Das Summen, das aus der Dose zu hören war, war dermaßen wütend, daß sie von ganz allein langsam über das Holz rutschte.
    »Gehört habe ich schon von diesen aufgezogenen Teufeln, aber gesehen habe ich noch keinen«, sagte John Faa. »Soviel ich weiß, kann man sie weder beruhigen noch abstellen, noch hätte es Sinn, sie mit Blei zu beschweren und im Ozean zu versenken, denn eines Tages würde die Dose durchrosten, und der Teufel käme heraus und würde sich auf das Kind stürzen, wo immer es ist. Nein, wir müssen ihn wohl hierbehalten und gut bewachen.«
    Lyra war die einzige weibliche Person an Bord — John Faa hatte sich dagegen entschieden, Frauen mitzunehmen — und bekam eine Kabine für sich allein. Die Kabine war allerdings nicht groß, tatsächlich kaum größer als ein Schrank, und hatte eine Koje und eine Luke, wie das Bullauge eigentlich hieß. Lyra verstaute ihre Habseligkeiten in dem Schubfach unter der Koje und rannte dann aufgeregt nach oben, um an der Reling stehend England verschwinden zu sehen; doch sie mußte feststellen, daß England schon beinahe vollständig im Nebel verschwunden war.
    Aber das Rauschen des Wassers unter ihr, der Fahrtwind, die unerschrocken in der Dunkelheit blinkenden Schiffslampen, das Rumpeln der Maschine und der Geruch nach Salz, Fisch und Kohlenspiritus waren schon aufregend genug. Wenig später, als das Schiff von der Dünung des Deutschen Ozeans erfaßt wurde, stellte sich ein weiteres Gefühl ein. Als Lyra zum Abendessen gerufen wurde, merkte sie, daß sie weniger hungrig war, als sie gedacht hatte, und im nächsten Augenblick beschloß sie auch schon, sich lieber hinzulegen, Pantalaimon zuliebe, denn dem armen Kerl war speiübel.
    Und so begann ihre Reise in den Norden.

   ZWEITER TEIL 
     
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    Bolvangar
     
     
     

Der Konsul und der Bär
     
     
    John Faa und die anderen Anführer hatten beschlossen, Kurs auf Trollesund zu nehmen, den wichtigsten Hafen Lapplands. Die Hexen hatten in der Stadt ein Konsulat, und John Faa wußte, daß es ohne ihre Hilfe oder zumindest wohlwollende Neutralität unmöglich war, die Kinder zu befreien.
    Am nächsten Tag, als Lyras Seekrankheit etwas abgeklungen war, erklärte er Lyra und Farder Coram seinen Plan. Die Sonne schien hell vom Himmel, und die grünen Wellen klatschten an den Bug und entfernten sich auf beiden Seiten als schaumbekrönte Linien. An Deck, wo eine frische Brise wehte und das Meer als bewegte, glitzernde Fläche vor ihr lag, war Lyra nicht mehr übel; und als Pantalaimon begeistert als Möwe oder Sturmschwalbe über die Wellenkämme glitt, ließ Lyra sich von seiner Freude anstecken und hatte ihr Elend schnell vergessen.
    John Faa, Farder Coram und zwei andere Männer saßen am Heck und besprachen, was als nächstes zu tun sei.
    »Farder Coram kennt also die lappländischen Hexen«, meinte John Faa. »Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, stehen sie sogar in seiner Schuld.«
    »Das stimmt, John«, sagte Farder Coram. »Der Anlaß liegt zwar schon vierzig Jahre zurück, aber für eine Hexe ist das keine lange Zeit. Manche Hexen werden steinalt.«
    »Wie kam es dazu, Farder Coram?« fragte Adam Stefanski, der Anführer der kleinen gyptischen Streitmacht.
    »Ich habe einer Hexe das Leben gerettet. Sie wurde von einem großen roten Vogel verfolgt, wie ich nie zuvor einen gesehen hatte, stürzte verletzt vom Himmel und fiel in den Sumpf. Ich machte mich sofort auf die Suche nach ihr. Sie wäre beinahe ertrunken, aber ich konnte sie gerade noch an Bord meines Bootes hieven und erschoß den Vogel. Er fiel in ein Sumpfloch, sehr zu meinem Bedauern, denn er war so groß wie eine Rohrdommel und feuerrot.«
    Die anderen Männer hingen wie gebannt an Farder Corams Lippen.
    »Als ich sie in meinem Boot hatte«, fuhr er fort, »bekam ich den größten Schreck meines Lebens: Die junge Frau hatte keinen Dæmon.«
    Er hätte genausogut sagen können: »Sie hatte keinen Kopf.« Schon der Gedanke war entsetzlich. Den Männern schauderte. Ihren Dæmonen sträubten sich Fell und Gefieder, sie schüttelten sich oder stießen ein heiseres Krächzen aus, und die Männer mußten sie beruhigen. Pantalaimon verkroch sich an Lyras Brust; sein Herz schlug genauso heftig wie ihres.
    »Zumindest schien es so«, sagte Farder Coram. »Ich hatte schon vermutet, daß sie eine Hexe war, weil sie aus der Luft fiel. Sie sah wie eine ganz normale junge Frau aus, nur

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