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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dauerten zwei Tage. Der Schauplatz wurde mit unbrennbaren Folien ausgelegt, damit das Öl nicht den historischen Stein verschmutzte. Um einige der Trümmer wurde Asbest gewickelt – wirklich eine einmalige, nicht wiederholbare Aufnahme.
    Helmke hatte neue Filmrollen besorgt, die er wie einen Schatz hütete. Er hatte eigens für die hitzeempfindliche Farbkamera einen Kühlmantel konstruiert, der ihn, den Kameramann, mit einbeschloß. So hockte er also bei 35 Grad Außentemperatur mit Schal und Pelzmütze und dickem Mantel unter seinem Kühlvorhang, der so etwas wie ein flexibler Eisschrank war. Eine Eismatte, gespeist von einem Aggregat.
    Die Klappe fiel.
    Heimann lehnte sich auf seinem Regiestuhl zurück. Vera sah zum Verlieben aus in den Reithosen, den langen braunen Stiefeln und der engen, durchschwitzten Bluse. Ihr schwarzes Haar war wie eine Fahne im Wind.
    »Das ist das schönste Mädchen, das ich je vor der Kamera gehabt habe«, sagte Heimann zufrieden. »Wenn sie bloß nicht in unserem Betrieb verheizt wird …«
    Vera sprang in den Ruinenhof, sah den künstlich angelegten Eingang des Stollens, riß die Pistole aus der Tasche, lief auf den Eingang zu.
    »Feuer!« kommandierte Heimann ruhig.
    Das Öl in den erdfarbenen, unbrennbaren Folienwannen flammte plötzlich auf. Die Pyrotechniker hatten einen raffinierten elektrischen Zündmechanismus gelegt, der auf einen Knopfdruck das Öl zu einem Flammenmeer verwandelte. Jetzt schossen die Flammen hoch, kreisten Vera ein, Öldampf stieg in den Himmel, schwarzer Rauch. Es stank bestialisch.
    Helmke drehte an seiner Kamera I ruhig und konzentriert. Er wußte, es konnte nichts passieren. Aber er wußte auch, daß jetzt alles bei ihm lag. Nichts kann wiederholt werden. Was auf den Film kam, war endgültig.
    Vera rannte herum, suchte eine Lücke in dem Flammenmeer, taumelte gegen eine Wand, erstickend in Rauch, gebraten von der Glut.
    »Sie spielt es einmalig«, sagte Heimann stolz. »Das ist eine ganz große Begabung. Diese Todesnot. Dieses Ersticken. Als ob sie tatsächlich verdampft. Das macht ihr keiner nach. Leute, ich schwöre euch: Das wird meine heilige Johanna. Die und keine andere.«
    Das Ende der Szene. Die Rettung. Ein Hubschrauber erschien plötzlich am Himmel, senkte sich sich über den Ölbrand, ein Tau wurde heruntergeworfen, Vera klammerte sich daran fest, der Hubschrauber stieg wieder in den Himmel, zog Vera mit, heraus aus der flammenden Hölle. Festgeklammert an dem Tau schwebte sie hoch durch die Luft, geschwärzt, am Ende ihrer Kraft.
    »Fabelhaft!« schrie Heimann durch sein Megaphon. »Das kommt nie wieder! Aus!«
    Die Feuerlöscher spritzten den chemischen Schaum in das Flammenmeer, neben Kamera II ging der Hubschrauber nieder. Dort stand Horst Helmke und nahm Vera in Empfang. Erschöpft sank sie in seine Arme.
    »Das wird Millionen vom Stuhl reißen!« schrie Heimann ihnen durch das Megaphon zu. »Vera, ich schäme mich vor Ihnen.«
    Es war das größte Lob, das man je von Heimann gehört hatte … denn keiner liebte sich so sehr selbst wie Heimann …
    Noch am Abend wurden die Filmrollen nach Deutschland geflogen. Am nächsten Morgen wurden sie entwickelt, gegen elf Uhr lagen sie vor Theo Pelz und Intendant Rathberg.
    Sie glaubten nicht, was man ihnen vom Kopierraum schon gesagt hatte … sie ließen die Rollen einspannen und abspielen. Doch dann saßen sie stumm nebeneinander und fanden keine Worte.
    Um vierzehn Uhr traf ein Telegramm in Limassol ein. Heimann und sein Team ruhten sich aus, wie eine große Familie lagen sie um den Swimming-pool.
    Das Telegramm lautete:
    ›Wer ist hier verrückt geworden stop Sämtliche Filmrollen waren blind belichtet stop Sofort Erklärung stop Rathberg.‹
    Carlos Heimann schoß empor wie ein Springbrunnen. »Helmke!« brüllte er. » Helmke! Sie Idiot! Was ist das hier?«
    Er gab ihm das Telegramm. Zum erstenmal sah man einen zitternden Carlos Heimann. Man umringte ihn, man las über Helmkes Rücken das Telegramm, und man war starr.
    »Mein Gott, Horst …«, stammelte Vera. »Das … das kann doch nicht sein …«
    Wie betäubt stand Helmke inmitten der anderen. Heimann machte den Eindruck eines Irren … er kaute an den Nägeln aller zehn Finger.
    Blind belichtet? Kein Bild auf allen Rollen?
    »Das ist unmöglich …«, sagte Helmke leise. »Das ist nicht möglich! So etwas gibt es nicht … Die Kamera stand unter Strom. Die Signallampe leuchtete.«
    »Aber es ist nichts drauf!« brüllte Heimann.

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