Der goldene Kuß
Fixsternchen über die Mattscheibe flimmerte, kein Saisonpüppchen, das nach ein paar Sendungen wieder im Grau des Vergessens versank und irgendwo an einem Provinztheater von dem Fernsehjahr träumte oder seine Stimme für die Reklame von Salmiak und Hundekuchen lieh. In Vera Hartung steckte die große Schauspielerin, auch wenn sie jetzt nur im Showgeschäft und in einem Abenteuerreißer eingesetzt war. Schon im Frühjahr würde der große Durchbruch kommen … Carlos Heimann hatte seinen Anspruch telefonisch angemeldet, die heilige Johanna nur mit Vera zu machen. Vielleicht konnte man sich an den Siegeszug der Hartung anhängen, vielleicht kam man endlich heraus aus dem Klischee des schönen Mannes und muskulösen Helden. Shakespeare spielen, Gorkij, Tschechow, Schiller, Kleist, Sartre, Girodoux und Pagnol … das war Theater. Das war Kunst! Und davon träumte Tommy Brest.
Während Horst Helmke in den Klöstern drehte, fuhr Brest mit einem Mietwagen hinaus aus Limassol nach Westen, die Küste entlang, Richtung Palea Paphos, um einen einsamen Badeplatz zu suchen. Er hatte Vera eingeladen, und sie hatte zugesagt. Bevor sie abfuhren, lud Brest zwei grundierte Leinwände, eine zusammenklappbare Staffelei und einen großen Farbkasten mit Paletten in den Wagen. Den erstaunten Blicken Veras entgegnete er mit einem traurigen Lächeln.
»Ich male …« sagte er, als müsse er dafür um Entschuldigung bitten.
»Seit wann?«
»Immer schon. Ich wollte einmal Kunstmaler werden. Aber dann sagte ich mir, daß das Hungergefühl größer ist als mein Kunstsinn, und ich wurde Tommy Brest. Eigentlich heiße ich ja Hans Horn.«
Vera schüttelte den Kopf. »Es scheint fast so, als schämten Sie sich, daß Sie malen.«
»Die wenigsten wissen es auch. Stellen Sie sich vor: Der knallharte Held – ein Romantiker, der in stillen Buchten hockt und das Meer in Öl malt. Das nimmt mir kein Tommy-Brest-Fan ab. Das fegt mich aus dem Beliebtheits-Barometer. Um Gottes willen, erzählen Sie das keinem, Vera.« Er setzte sich neben sie in den Wagen. »Wollen Sie es auf sich nehmen, mit mir irgendwo in der Einsamkeit zu hocken und zuzusehen, wie ich Farbe auf die Leinwand drücke? Ich bin auch noch ein so vertrottelter Maler, der so malt, daß man erkennt, was auf dem Bild ist. Ich male ein Meer wie ein Meer, ein Haus wie ein Haus, einen Felsen wie einen Felsen … bei mir brauchen Sie nicht nach der Signatur zu suchen, um zu wissen, wo oben und unten ist. Ist das nicht schrecklich, so unmodern?«
»Ich finde es wunderbar! Tommy, Sie gefallen mir immer besser! Zuerst hielt ich Sie für einen ganz arroganten Kerl.«
»Mein Image!« Brest lächelte wehmütig. »Man will es so. Mutig und frech! Aber am liebsten sitze ich im Sessel und höre Mozart.«
Sie fuhren langsam die Küste entlang. Es war ein herrlicher Tag, der Wind trieb den Geruch des salzigen Meeres über das Land, Boote fischten entlang der Küste, in den kleinen Orten war Markttag. Mit Kamelen und Eseln waren die Bauern zur Küste gezogen.
Südwestlich von Pissouri, unweit der Aphroditefelsen, hielt Brest an und zeigte auf einen Küstenfleck. Ein paar Steinbrocken, die aussahen wie Reste einer Tempelanlage, halb vom Flugsand verweht, leuchteten bleich in der Sonne.
»Hier!« sagte Tommy. Er war glücklich wie ein beschenktes Kind. Wie ein Entdecker breitete er die Arme aus. »Diese Küste. Das blaue Meer, der sonnengelbe Himmel, die sterbenden Ruinen … welche Melancholie liegt über diesem Bild! Welche Sehnsucht nach Weiterleben. Das male ich! Und ich habe eine Bitte, Vera.«
»Ja, Tommy?« Vera stieg aus dem Wagen und nahm die Staffelei mit.
»In dieses Bild gehören Sie hinein. Darf ich Sie malen?«
»Gern, Tommy. Wenn Sie mich nicht allzu häßlich machen …«
»Ich werde Sie als die Göttin der ewigen Jugend in einen verfallenen Tempel setzen. Das Vergehen und die unsterbliche Schönheit … das wird mein schönstes Bild … Kommen Sie …«
Hand in Hand rannten sie an das Meer. Zwischen den Steinen, vor den Felsen der Aphrodite, baute Brest seine Staffelei auf.
Er fixierte ein paarmal Vera von allen Seiten. »Setzen Sie sich in den Sand, an den Stein gelehnt, halb liegend, die Haare wie einen Schleier um die Schultern … So ist es wunderbar! Vera, ich danke Ihnen für diesen Tag …«
Er malte vier Stunden lang, natürlich mit Unterbrechungen, in denen sie aus der Thermostasche eisgekühlten Fruchtsaft und belegte Brote zu sich nahmen. Das Bild verdeckte Brest mit
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