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Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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    Sie hatten ihn natürlich in die Schlacht koerzieren müssen.
    Diese kichernden Tanu-Teufelinnen hatten ihn von dem Kriegsbankett weggezerrt und seinen armen, bis zum Skelett abgemagerten Körper mitten im Ausstellungsraum des Waffenschmieds ausgezogen, während sie einen passenden PK-Hamisch für ihn suchten. Ein grauer Knappe hatte ihm höhnisch gackernd die Unterkleidung angelegt: erst ein Baumwollhemd und kurze Unterhosen, dann die erstklassig gearbeitete Polsterung, haltbares Gaze-Gewebe, das erbsengroße Plastikblasen einschloß und nicht allein schützte, sondern auch luftig war und nur wenige Gramm wog. Die sechs Tanu-Frauen persönlich hatten ihm all die rutschenden Platten aus goldziseliertem rosa Glas angelegt und ihm erzählt, wie tapfer er sich erweisen und welchen Ruhm er auf der Weißen Silberebene einheimsen werde. Bis zum Hals gerüstet, hatte er vor ihnen niederknien müssen, während sie ihn mit einem großen Schwert aus rosigem Vitredur im Spott zum >Lord Raimo< schlugen. Dann wurde er gezwungen, ihnen allen auf die einzige ihm noch mögliche Weise zu Willen zu sein. Als diese Demütigung vorüber war, stülpten sie ihm den herrlich geschmückten Helm Über, der fast wie ein Südwester mit Visier aussah, steckten ein Schwert in die Scheide an seinem Gürtel und drängten ihn nach draußen zu dem nervösen gepanzerten Chaliko, das ihn in die Schlacht tragen sollte. Das Fell des Tieres war in einem knalligen Fuchsia eingefärbt, die Mähne und die Haarbüschel an den Fesseln schwefelgelb, eine Parodie auf das heraldische Rosenrot und Gold der Psychokinetiker-Gilde. Die Frauen teleportierten ihn in den Sattel, und er fand kaum noch Zeit, die Zügel zu fassen, bevor das Ungetüm sich aufbäumte und ihn beinahe Hals Über Kopf nach rückwärts abgeworfen hätte.
    Irgendwie blieb er an Bord und wurde mit sechs separaten Einschaltungen des Lusterregers in seinem silbernen Ring belohnt.
    Alle zusammen marschierten von dem Tanu-Lager hinüber zu der Ebene und schlossen sich der großen Parade juwelenfunkelnder Kämpfer und Glückwünscher an, die in der falschen grauen Morgendämmerung durch die von Fackeln beleuchtete und mit Bannern geschmückte Gasse strömten. Die sechs Damen zupften symphonisch an seinen Happy-Schaltungen, um ihn richtig in einen euphorischen Zustand hineinzuarbeiten. Und als sie das Aufmarschgebiet des Schlachtfeldes erreichten, schalteten sie abrupt auf den hypothalamischen Auslöser um und füllten ihn mit Adrenalin und wahnsinniger Wut auf den Firvulag-Gegner, der weniger als einen Kilometer entfernt in der Finsternis lauerte. Er reihte sich bei seinen silbernen Mit-Psychokinetikem aus Muriah ein, bis zu den Augäpfeln vollgepumpt mit Kampfeslust.
    Dann wartete die Armee an Ort und Stelle eine weitere ganze Stunde. Die Frauen hatten sich an die fernen Seitenlinien zurückgezogen, und während die Zeit verging, verflog Raimos Wahnsinn, und das, was an gesundem Menschenverstand in ihm noch übrig war, gewann wieder die Oberhand. Er entdeckte, daß die Tanu-Hexen vergessen hatten, die Kontrolle ihres Spielzeugs an Kuhal oder Fian oder einen anderen Offizier des PK-Bataillons zu Übergeben. Er war frei! Niemand koerzierte ihn mehr!
    Endlich wurde zum Angriff geblasen. Raimo raste los und schwang sein Schwert und brüllte wie die ganze Masse von Amokläufern. Doch dabei war er stocknüchtem und hatte schreckliche Angst.
    Zuerst rettete sein Reittier ihn. Es war ein gut ausgebildetes Kampf-Chaliko, trotz seines bösen Temperaments, und es wußte, wie es mit seinen Klauen zuschlagen mußte, wann immer Firvulag-Infanteristen sie angriffen. Raimo ritt in einer mittleren Tanu-Staffel zwischen den Elite-Grauen und den herrlich anzusehenden Champions aus der Provinz. Zu dem Zeitpunkt, wo er mitten im Getümmel war, gab es genug Staub und Gestaltwechsel und auch schon Gemetzel, daß seine bisherigen Kameraden mit anderen Dingen als ihm vollauf beschäftigt waren.
    Es war Zeit, an die Flucht zu denken.
    Er fuhrwerkte herum, schlug in die Luft und versteckte sich hinter seinem Schild, wenn illusorische Ungeheuer in dem ungewissen Licht des Sonnenaufgangs auftauchten. Wellen des Entsetzens, von den Firvulag erzeugt, umwirbelten ihn und verschmolzen mit seiner eigenen hausgemachten Angst. Er ritt durch einen alptraumhaften Tumult, bei dem die Kombattanten beider Armeen sichtbar und unsichtbar wurden, als laufe ein gestörter Holo-Projektor. Nur ein Aspekt des Krieges war gnadenlos real: die

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