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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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vorne beginnt. Spleißen, festziehen, schrauben, spannen, und bei alledem stirbt um sie herum schreiend und zitternd das Boot.
    Die Cuparah gerät ins Schlingern und kippt um. Edie klammert sich am Kompressor fest und Frankie an Edie, sodass die beiden aneinanderkleben. Edies Arme haben keine Zeit, um wehzutun. Dann dreht sich das Boot erneut, und sie stürzen zu Boden. Einer der Ruskiniten hat sich im Chaos seinen eigenen Finger beinahe komplett abgeschnitten. Er hält ihn hoch, um ihn zu inspizieren. Frankie schreit ihn an, er solle ihn abreißen und weiterarbeiten, da er mit neun Fingern leben könne, nicht jedoch, wenn sein Körper von eisigen Wassermassen wie eine leere Eierschale zerquetscht würde. Er zuckt mit den Schultern und folgt ihrem Befehl. Schock. Oder Mut. Edie ist sich nicht sicher, ob es da einen Unterschied gibt. Der Tod ist ein gutes Mittel gegen die Schmerzen. Plötzlich erinnert sie sich, wie sie noch ganz klein war und eine alte, verrückte Frau etwas zu ihr gesagt hat, was sie nie verstanden hat. Sie wiederholt den Satz jetzt, und Frankie starrt sie an.
    »Wenn die Hexen kommen, Madame, muss man aufpassen, dass sie einem nicht ins Boot steigen, sonst sinkt es wie ein angeknackstes Ei.« Cuparah , das Eierboot. Tief unten, wo der Wasserdruck viel zu hoch ist, wo die Metallschicht platzen muss. Es stimmt irgendwie; bedeutungslos, idiotisch, aber es stimmt.
    Einer der Ruskiniten lacht und wiederholt den Satz. Er hat einen Cornwall-Akzent – die Frau, die damals mit ihr gesprochen hat, vermutet Edie, muss aus Dorset gewesen sein –, und auch Mockley sagt es und tut so, als würde er Eier aufschlagen, was sogleich zum Rhythmus ihrer Arbeit wird, ein Gegengift zu dem Getrommel um sie herum. Frankie flucht auf Französisch, dass sie jetzt alle wahnsinnig geworden seien, aber sie schließen den Kompressor und die Pumpen an die Rohre an, wie sie verlangt, und feuern sie ab. Frankie späht zum Schalter hinüber und beginnt dann auf einem Schott herumzukritzeln.
    »Ja, ja, Salzwasser, gut, so weit so gut, ja … kalt, natürlich, sehr gut, besser! Also. Der Druck ist ein Faktor, und das Salz … Die Einheiten werden zu Beginn hart arbeiten müssen. Die Kälte im Inneren des Bootes wird … es wird kalt werden. Alle müssen sich warm anziehen. Dafür haben wir keine Zeit. Nachdem es erledigt ist, können wir die Innenräume heizen, ja. Dann wird es … bon . Dann …« Und schon ist sie nicht mehr bei sich, während die Sekunden verstreichen und die Bomben fallen, bis Edie klar wird, dass sie sich in ihren Gedanken verloren hat, und sie ihr einen Klaps gegen den Kopf gibt. »Oh mordieu , ich bin eine Idiotin, es gibt ein Problem mit den Lufteinschlüssen«, murmelt Frankie und beginnt gerade damit, ein Loch in die Schottwand zu bohren, als einer von Amanda Baines’ Matrosen hereinkommt und sie schreiend auffordert, damit aufzuhören.
    Das tief sitzende Entsetzen in seiner Stimme genügt, um den Tumult aus Angst und Panik auf dem Boot zu übertönen, und dann schaut noch ein anderer Mann zur Tür herein. Auch er brüllt.
    »Idiot!«, ruft Frankie Fossoyeur. »Ich bin ein Profi!«
    Zwanzig Sekunden später bricht die Hölle los, als wäre die Situation – Tiefenexplosionen, Wasserdruck, ein auseinanderbrechendes Boot, allgemeine Untergangsstimmung – noch nicht schlimm genug. Jetzt richtet der Bootsmann zu allem Überfluss eine Waffe auf Frankie, und Frankie hört einfach nicht mit dem Bohren auf, während ihm andere Matrosen zurufen, er solle sie niederschießen. In wenigen Sekunden wird das alles sowieso unerheblich sein, da die Matrosen hier sind und nicht, wo sie sein sollten, und wichtige Aufgaben unerledigt bleiben, wobei die Cuparah ohnehin nur noch schleppend reagiert, weil einer der Motoren nicht mehr arbeitet und das Kreischen von auseinanderbrechendem Metall durch die Luft schallt. Über ihnen weiß der Feind, dass er kurz davor ist, sie erledigt zu haben. Einer der Ruskiniten beginnt vor sich hinzumurmeln: In Deine Arme, oh Herr, gebe ich meine Seele, die Du erschaffen und genähret hast. Schau mit Nachsicht auf mich, nun, da ich gescheitert bin , aber dann tritt Edie ihm auf den Fuß.
    Darauf folgt ein Moment vollkommener Stille. Edie versteht zuerst nicht, wie das sein kann, begreift jedoch schließlich, dass direkt über dem Boot eine Explosion hochgegangen sein muss und der Druck ihr linkes Trommelfell hat platzen lassen, während das rechte schreit. Der Schmerz ist so schrecklich,

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