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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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führte. Sie zwang sich, nicht darüber nachzudenken, was sie bei ihrer Ankunft vorfinden würde. Als sie den Tamar überquerten und die Hauptstraße verließen, dämmerte es. Das nervöse Geplapper ihrer Fahrerin kam ins Stocken und brach dann vollständig ab, als sie die äußere Absperrung erreichten und durchgewunken wurden. Krankenwagen kamen ihnen ohne Sirene entgegengerast. Edie hatte einmal gehört, dass dies bedeutete, dass der Patient bereits tot war.
    Es standen Soldaten am Straßenrand. Soldaten saßen in Transportern, und Soldaten hielten Wache vor Bauernhäusern und Cottages: normale Einsatzkräfte, Veteranen, die gedient hatten. Sie sahen missmutig und müde aus, und als sich der Wagen durch eine winzige Gebäudegruppe auf einem Hügel schlängelte – zu groß für eine einzelne Farm und zu klein für ein Dorf –, sah Edie, wie ein Gefreiter sich in eine Grube übergab, während seine Kameraden ihn stützten. Sie hatte miterlebt, wie britische Infanteristen sich bei Feldamputationen übereinander lustig gemacht hatten. Hier grinste keiner von ihnen.
    Der Wagen fuhr langsamer, und Edie glaubte schon, sie hätten ihr Ziel erreicht, doch vor ihnen versperrte ein großer Transporter die Straße. Er hatte bei einem Wendemanöver einen gewaltigen Granitbrocken von der Felsenböschung gerissen. Drei Soldaten schleppten ihn beiseite.
    Edie sah zu. Ins Wageninnere drangen die Geräusche nur gedämpft. Sie konnte die Marinesoldatin atmen hören.
    Einen Augenblick später klatschte etwas feucht gegen die Windschutzscheibe. Edie zuckte auf ihrem Sitz zurück und starrte in einen weit aufgerissenen Mund, der über das Glas schmierte. Sie sah einen Kreis aus roten Lippen und eine Speichelspur und hielt ihre Waffe direkt darauf gerichtet, bevor ihr klar wurde, dass sie keinen entflohenen Löwen oder einen riesigen Blutegel vor sich hatte, sondern einen bärtigen Mann, der sein bestes blaues Sonntagsjackett trug. Die Soldatin hatte sich auf ihrem Sitz umgewandt und war bereit, den Wagen zurückzustoßen und umzukehren. Sie warf einen fragenden Blick herüber, doch Edie hielt die Hand mit der Waffe hoch: Warten Sie!
    Der Mann leckte und schnüffelte an der Scheibe, versuchte, sie zu fassen zu bekommen, und rutschte hilflos an ihr hinunter zu Boden. Hinter ihm tauchten zwei weitere stöhnende Gestalten mit schlaff herabhängenden Kiefern aus dem hinteren Teil des Transporters auf. Eine hielt Messer und Gabel in den Fäusten. Eine Dinnerparty, dachte Edie. Sie hatten sich zum Abendessen fein gemacht. Der Mann mit dem Besteck blickte stumpf zum Himmel. Der andere trat von einem Fuß auf den anderen, das seltsame Staksen eines Reihers: schnell, schnell, langsam.
    Ein Sergeant tauchte auf, drehte den bärtigen Mann geschickt herum und legte ihm die Arme um die Brust, sodass er ihn wie ein Bündel zurück in den Transporter schleppen konnte. Zwei kräftige Gefreite taten dasselbe mit den anderen.
    Edie kurbelte die Scheibe herunter und rief den Sergeant herüber.
    »Wie viele gibt es davon?«, fragte sie.
    »Knapp tausend, aber wir werden nicht alle von ihnen retten«, sagte er und blickte sie direkt an, um sicherzugehen, dass sie ihn auch verstand. »Etwa die Hälfte ist sowieso tot, bevor wir bei ihnen sind. Bisher können wir nur sagen, dass alle immer noch das tun, womit sie gerade beschäftigt waren, als es passierte. Darin stecken sie fest. Und manchmal … Da drüben, hinterm Tregurnow Way, ist eine Rinderfarm. Der Farmer hat gerade einige Stiere geschlachtet. Bevor wir dort waren, hatte er sein gesamtes Vieh getötet. Dann ist er ins Farmhaus gegangen und hat einfach weitergemacht.« Er hielt inne und wartete, ob er es ihr erklären müsse. Musste er nicht. »Kommt das von den Russen, was meinen Sie? Ist das Krieg?«
    »Nein«, sagte Edie nachdrücklich. »Nein, das ist ein Unfall. Es sind chemische Gifte aus einem Containerschiff ausgelaufen.«
    Der Sergeant warf ihr einen finsteren Blick zu. »Na, ich hoffe, die hängen dafür.«
    Frankie. Was hast du getan?
    Der Lovelace ratterte in der Dunkelheit von Frankies Höhle auf der Stelle, ein Erbeben auf Radachsen. Immer wieder glaubte Edie Schritte zu hören. Dazu kam, neben den Geräuschen, die die nervösen Soldaten machten, die um den Zug herumstanden und Wache hielten, ein gleichmäßiges Küchenschabenrascheln, das sie nicht zuordnen konnte. Am einen Ende der Passagierwaggons flackerte ein Licht an und aus, an und aus.
    Songbird fluchte leise vor sich hin und

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