Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
einer Kollision mit dem Lieferwagen eines Glasers ums Leben gekommen war – offenbar war sie von einer Scheibe Sicherheitsglas geköpft worden, die für eine Schule bestimmt gewesen war. So viel zum Thema Sicherheitsglas.
    Die Sträuße waren nach ein paar Wochen entfernt worden, bis auf eine schmale Vase, die der Bruder der Frau derartig fest an den Laternenpfahl und das Betonfundament geklebt hatte, dass nicht einmal die Kehrmaschinen der Stadt sie wieder ablösen konnten. Bevor Harriet ihn bat, es zu unterlassen, kam Joe noch einmal pro Monat vorbei, und so konnte er über die Zeit hinweg mitverfolgen, wie die grimmigen kleinen Blumen vom Leben zum Tod kamen, wie sie trockneten und schließlich einer eigenartigen Form von Fossilisation anheimfielen.
    Er lässt das Haus links liegen, ignoriert es. Der Feind – er gibt ihm keinen Namen, denn wenn etwas einen Namen hat, glaubt man, es wenigstens zum Teil verstanden zu haben, und er hat noch immer keine Ahnung, wer sein Feind eigentlich ist – müsste ja vollkommen dämlich sein, wenn er sich das hier entgehen ließe. Sie werden Tarnung und Ablenkung erwarten. Sie werden beobachten.
    Mathews Stimme in seinem Kopf: Beobachtung ist eine hoffnungslose Sache. Du wartest auf etwas, und du glaubst zu wissen, wie es aussieht. Wenn es dann nicht so aussieht, kann es direkt an dir vorbeilaufen. Das menschliche Gehirn, mein Sohn, ist ein Wunderwerk, aber es träumt und fabuliert, kann leicht dazu verleitet werden, die Augen zu täuschen. Erinnerst du dich ans Monte? Ja? Nun, das hier ist genauso. Hältst du zu angestrengt nach der einen Sache Ausschau, verpasst du die andere. Wenn du also Schmiere stehst, Joe, dann sieh dich nicht nach Bullen um. Warte einfach ab, und sieh, wer des Weges kommt. Du wirst es schon merken, wenn Ärger im Anmarsch ist.
    Ein Stück die Straße hinunter steigt Joe aus dem Bus und biegt zusammen mit einigen Jugendlichen in eine kleine Straße. Er geht neben ihnen her, als wäre er ihr älterer Bruder, und setzt seinen Weg fort, als sie zum Rauchen und für kaltes, frustrierendes Vorspiel in eine Baustelle einbiegen.
    Sorgsam darauf bedacht, lediglich neugierig auszusehen und nicht wie ein Mann, der nach einer passenden Stelle für einen Einbruch sucht, blickt er nach oben und verspürt eine lange unterdrückte, freudvolle Spannung.
    Ein Hoch aufs Verbrechen .
    Die Gasse endet mit der Rückwand eines modernen Wohnblocks, der zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, als ästhetisches Wohlgefallen in der öffentlichen Architektur nicht als wesentlich angesehen wurde und Wohnraum ordentlich, schlicht und vor allem billig sein sollte. Leider wurde dabei ebenso wenig Aufmerksamkeit auf Londons tonigen Boden und die unterirdisch verlaufenden Flüsse gerichtet, und so begannen die Gebäude unweigerlich damit, sich zu verziehen und abzusacken, und mussten mittels Metallstützen, die an der gesamten Außenwand verlaufen, vorm Zusammenbruch bewahrt werden. Diese Stützen, die Freunde aller Einbrecher, stehen wie die Sprossen einer Leiter von der Außenwand ab, und bieten so Zugang zur viktorianischen Feuerleiter an einem weitaus eleganteren Gebäude, das wiederum – wenn man lange Arme hat – Zutritt zum Flachdach des Häuserblocks verschafft.
    Joe, der Uhrmacher, hat die Angewohnheit, Klimmzüge am Türsturz zu machen, und so verfügt Joe, der Einbrecher, über schlanke, straffe Muskeln, die unter seiner Jacke knirschend arbeiten. Eins, zwei, drei … und hinauf.
    Ich wünschte, Polly könnte das sehen. Oder sogar Mathew. Ich mache das gut.
    Joe kommt ins Rutschen, als er landet; Wasser hat sich auf dem Asphalt gesammelt. Er wedelt mit den Armen und kreischt auf. Dann aber fällt ihm ein, dass dies eine streng geheime Mission ist und dass ihm mit ziemlicher Sicherheit schreckliche Dinge zustoßen werden, wenn er erwischt wird, also geht er auf die Knie. Er flucht zischend auf, als ihn ein scharfes Stück Kies durch seine Hose ins Bein schneidet.
    Kein Alarm. Keine Sirenen. Keine Scheinwerfer. Er grinst. Oh, ja. Joe, der kleine Meistereinbrecher. Er huscht über das Dach und klettert über eine Wartungsleiter zum Giebel eines Schulgebäudes aus roten Backsteinen hinauf. Von hier aus marschiert er über den Dachfirst zum anderen Ende und geht dort in die Hocke, um hinunterzuschauen. Starke Hände, lange, dicke Finger. Schlecht fürs Gitarrespielen, gut für Einbrüche. Eine Fallrinne, ja, wie erwartet. Einbrecher sind grundsätzlich wohlvertraut mit an

Weitere Kostenlose Bücher