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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nun berührt sie Joe sanft an der Schulter. Mit einem Finger dreht sie ihn zu sich herum, und ein zarter Kuss streicht über seine Lippen. In seinem Innern meldet sich kurz ein wütender Bär zu Wort: Ich werde diese Frau beschützen. Jeden werde ich zerfetzen, der ihr dumm kommt.
    Zumindest der Bär hat keine Zweifel.
    Sie grinst ihn an, als würde sie das innere Brummen hören, und setzt sich auf seinen Schoß.
    »Na, los. Was machst du hier?«
    »Mathew suchen«, gesteht er.
    Sie nickt. »Aber er ist nicht hier?«
    »Nein.«
    »Warum Mathew?«
    »Weil das seine Art von Unternehmen ist.«
    Sie starrt ihn an und prustet dann einen Unmutslaut durch ihre geschlossenen Lippen. »Blödsinn!«
    »Was?«
    »Blödsinn, hab ich gesagt. Völliger Humbug. Was … bah!« Ihr fehlen die Worte. »Joe. Du musst nicht nach Mathew suchen. Du bist du. Sein Sohn. Aber vor allem du. Und du bist gut in dem, was du jetzt machst! Schau dir die letzten paar Wochen an, und dann sag mir, dass ich mich irre.«
    Er will es gerade tun, aber sie hält ihm einen Finger direkt vors Auge. Unabhängige Superschurkin. Ja. Das schließt ganz gewiss kollegialen Respekt mit ein.
    »Gut«, sagt Polly. »Und jetzt zeig mir die Waffe.«
    Als er es tut, fängt sie an zu lachen.
    »Du feuerst sie so ab, wie du sie abfeuern willst , Joe«, sagt sie, als sie wieder sprechen kann, »nicht so, wie du glaubst, dass es richtig sein müsste . Scheiß auf müsste . Sprich mir nach.«
    »Scheiß auf müsste«, stimmt Joe pflichtbewusst an, und sie lässt es ihn wieder und wieder mit ihr zusammen sagen, bis ihn das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, aufgeheitert hat. Der neue, angstfreie Joe zu sein, ist wunderbar, aber es ist auch wie bei einem schlüpfrigen Baumstamm: Eine Weile kann er darauf laufen, aber sobald er eine Pause einlegt, verliert er den Halt unter den Füßen und fällt herunter. In Bewegung zu bleiben, ist wichtig, und in Übung. Und es ist auch einfacher, wenn man ein Gegenüber hat, jemanden, der erfreut oder entsetzt sein kann. Er stellt fest, dass er sein Publikum braucht.
    Polly steht im Schatten neben ihm und grinst ihn animalisch an. Deutet auf die Waffe: Probier’s noch mal .
    Joe stellt sich in Position, die Füße weit auseinander, schaltet die Thompson auf vollautomatisch, spürt den Mantel um seine Schultern und die freudige Erregung des Kindes, das er einmal gewesen ist. Dies ist die Waffe. Die Waffe. Dads Waffe! Das strikt verbotene Nicht-Spielzeug, das Werkzeug der Gangsterzunft.
    Ein irres Grinsen zerrt an seinem Mund; nicht die milde Nostalgie seines ersten Versuchs, sondern eine Art gestörte Verzückung. Er lässt es zu, dass das Grinsen seine Zähne entblößt, und drückt dann den Abzug, als würde er einen Ozeanriesen taufen.
    Die Waffe heult und rattert, schickt Wellen des Schocks durch seine Arme und die Brust. Er ringt mit ihr, kämpft darum, dass sie ihm nicht nach oben ausbricht, und hält mit seinem Finger den Abzug umklammert. Einen Gangster sieht man nicht abdrücken wie einen mickrigen Geizhals. Nein, zur Hölle. Man sieht, wie er den Gegner mit Blei vollpumpt und ordentlichen Schaden anrichtet – ein Ausrufezeichen setzt. Ein Gangster ist kein Scharfschütze. Er ist verschwenderisch, maßlos, rücksichtslos. Er ist verrückt wie eine rasierte Katze.
    Am Ende klammert er sich an die Waffe, als wäre sie ein kleiner, drahtiger Springteufel, der versucht, aus seiner Schachtel zu entwischen. Er feuert das gesamte Magazin leer und stellt fest, dass er laut lacht dabei, ein gestörtes, verängstigtes oder beängstigendes Gackern. Schließlich hört das Gebrüll auf, das Monster ist ruhig und der Schaden ungeheuerlich. Durch Schwaden von Rauch und Staub starrt er zum Schießstand hinunter.
    Die Schaufensterpuppen sind zerfetzt. Stücke und Späne von ihnen sind überall verstreut und in die Wand gepresst worden. Die Mauer selbst ist übersät mit Einschusslöchern, und die Bretter und Fässer, die man vor sie gestellt hat, um die Querschläger abzufangen, haben ebenso viel abbekommen. Überall lodern kleine Feuer, sind verkohlte Stellen zu sehen. Joe bahnt sich einen Weg durch die Verwüstung und starrt sein Werk an. Und wieder beginnt er, etwas zu begreifen.
    »Wow«, murmelt Polly.
    Joe Spork packt sie und küsst sie heftig und triumphierend. »Du bist ein Genie.«
    »Bin ich das?«
    »Ja, bist du. Weil ich es kapiere. Jetzt kapiere ich es. Darum geht es. Die innere Natur dieser Waffe.«
    Sie lächelt. »Erzähl’s

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