Der goldene Schwarm - Roman
könnte. Aber nichtsdestoweniger (so murmeln schwarze Anzüge und ernste Gesichter, Frauen in Nadelstreifen und elegante Damen) ist Zeit nun mal Geld. Und Big Douggie, Caro und Tony Wu sitzen in den dunklen Zimmerecken, fühlen sich fehl am Platz und zugeknöpft und wünschen sich, woanders zu sein.
Und dann tritt ein Mann durch eine der Türen. Er kommt leise in den Raum, als würden sie nicht alle auf ihn warten. Er grinst und schüttelt Hände und winkt und lässt sich vom Geraune größer machen. Er breitet seine Arme aus und drückt dann einen respektablen alten Knacker an sich, dessen Bank sich auf Diskretion spezialisiert hat.
»Liam!«, sagt der Bursche. »Bei meinem Leben! Liam Doyle, das gibt’s ja nicht, man hat mir gesagt, du seist tot!«
»Ich doch nicht!«, ruft der alte Mann hocherfreut. »Noch bin ich nicht abgetreten, und scheiß auf die, die es mir wünschen! Der alte Esel kackt immer noch Gold!«
»Das glaub ich sofort!«, erwidert der andere. »Ganz bestimmt. Kannst du denn immer noch tanzen, Liam? Du hast mal mit Caro Foxtrott getanzt – bei uns in Primrose Hill.«
»Herrje!«, erwidert Liam Doyle. »Das hab ich wohl! Damals hätte ich jeden Tanz mitgemacht! Na, keine Ahnung. Ich hab nicht mehr getanzt seit … ach …«
Seine Stimme verliert sich. Doch bevor es rührselig werden kann, sagt Liams Freund: »Ich wette, du hast es noch drauf!« Und Liam sagt, das stimmt, na klar hat er’s noch drauf! Und dann heißt es: »Hallo, Simon, ich erkenn dich doch, mein Gott, ist das deine Frau? Ist ja fantastisch, ich schwör dir, sie sieht aus wie eine Königin, und damit mein ich nicht unsere verschissene Queen, Gott segne sie, nein, ich spreche von Titania! Ja, genau! Ist es gestattet, die Braut zu küssen?« Und das tut er dann auch, verpasst dem zarten, hausbackenen Gesicht einen kräftigen Schmatzer und grinst, als hätte er einen Preis gewonnen. »Big Douggie! Ich seh dich da drüben! Jetzt komm mal aus der Ecke raus, Mann! Du erinnerst dich doch an Douggie, oder, Simon?« Simon erinnert sich, sie haben sogar einen Streit gehabt seinerzeit, und zur Hölle mit ihm, wenn Douggie nicht den härtesten rechten Haken aller Zeiten hatte, ich schwör’s dir, Douggie, da träum ich heute noch von und seh diese Faust auf mich zukommen!
»Na«, sagt Douggie, »heutzutage halt ich mich damit zurück. Ich unterrichte den Nachwuchs. Na ja, hin und wieder zeig ich ihnen dann auch mal das ein oder andere Ding zum Spaß. Ich glaub, die machen’s mir absichtlich ziemlich leicht.« Worauf er grinsend seine Zahnlücken zeigt und alle denken: Nicht, wenn sie wieder lebend aus dem verdammten Ring rauskommen wollen. »Was ist mit dir, Simon?«
»Ach, na ja …«, sagt Simon etwas traurig. »Ich hab andere Wege eingeschlagen. Ich verfolge das Boxen noch … oder zumindest habe ich das getan.«
Und wieder flüsterndes Bedauern. Was haben wir früher nicht alles gemacht. So viele Gesetze, die wir gebrochen und über die wir gelacht haben. Und nun kriechen wir in der Gegend herum und verdienen bloß noch Geld – aber was sind wir denn nun, wenn nicht Gauner?
Nun, reich natürlich, und dementsprechend glücklicher.
Glücklicher, ganz gewiss.
Weiter und weiter geht es. Joe hat ein Händchen dafür, erinnert sich an jedes Gesicht. In ihm brennt ein Feuer, ein verzweifeltes Sehnen nach Tagen, die alle vergessen hatten, und er besitzt die Fähigkeit, den Glauben neu zu wecken. Auf Schritt und Tritt folgt ihm das Flüstern: Das ist Joe Spork. Er stellt ein Ding auf die Beine, und er wird uns um Hilfe bitten.
Was muss das für ein Ding sein!
Er wird uns doch fragen, oder nicht?
Na klar.
Und schließlich, als die Nervosität und die Nostalgie kurz davor sind, überzukochen, erklimmt Joe mit seinen Arbeiterstiefeln die Rückenlehne eines sündhaft teuren italienischen Ledersofas und sagt:
»Ich nehme an, ihr fragt euch, warum ich euch alle gebeten habe, heute Abend hierherzukommen!«
Sie fragen es sich. Natürlich.
»Vielleicht habe ich euch ein wenig in die Irre geführt. Ich glaube, Jorge habe ich gesagt, dass ich ein großes Ding plane. Nun, das tue ich nicht.« Er grinst, das Grinsen eines ungezogenen Jungen, Mathews Gesicht, das mit einem Mal die wettergegerbten, kantigen Züge seines Sohnes überdeckt. »Ich plane kein großes Ding. Ich plane zehn. Oder hundert. So viele es eben braucht, um etwas klarzumachen. Ich rede von dem ganz großen Gewinn. Ich rede davon, jede Bank in London auszurauben, halb
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