Der goldene Schwarm - Roman
er nun schon einmal hier ist und ohnehin bereits völlig durchgeweicht, nutzt er die Gelegenheit, um einen ziemlich zähen, nervtötenden Mann namens Fisher aufzusuchen, einen früheren Einbrecher, zurzeit Hehler und Vollzeitmitglied im Mathew-Spork-Nostalgieclub. Fisher, der nicht einmal zu Mathews entfernterem Zirkel gehört hat, ist einer der wenigen, an die er sich wenden kann, wenn es ums Illegale und Dubiose geht, ohne dass schmerzliche soziale Verpflichtungen entstehen. Trotzdem hat Joe das beunruhigende Gefühl, sich selbst zu schaden, und die trübselige Stimme seines Großvaters spricht zu ihm: Ich hab’s dir gleich gesagt . Er hebt die Schultern und vergräbt sein Kinn im Mantelkragen: ein großer Mann, der versucht, zur Schildkröte zu werden.
Ein vorbeifahrender Bus spritzt ihn mit Straßenwasser voll, und er brüllt und winkt fuchsteufelswild, erblickt dann sein Spiegelbild in einer Schaufensterscheibe und fragt sich, nicht zum ersten Mal in letzter Zeit, wer dieser Mensch ist, der von dem Besitz ergriffen hat, was einmal sein Leben gewesen ist.
Fishers Laden ist ein neckisches kleines Geschäft mit einer Aura von schäbigem Hippie-Merkantilismus, eingequetscht zwischen einem Schneider und einem mysteriösen Laden mit Perlenvorhang, in dem alle Geschäfte ausschließlich auf Ungarisch getätigt werden. Fisher verfügt über jede Menge Platz, da seine Familie hier schon gelebt hat, bevor die Gegend teuer wurde. Kunden können sich in einem abgeschlossenen Innenhof zu einer Hukah oder einer Tasse türkischen Kaffees niederlassen. Fisher macht ihn selbst, kocht Kaffee und Zucker mit seiner geheimen Zutat, die er nur ganz besonders bevorzugten Kunden – also allen – verrät und die sich ganz danach richtet, was er zufällig im Kühlschrank hat. Bei Joe ist es bereits Zitronenschale, Kakao, Pfeffer, Paprikapulver und einmal sogar ein Teelöffel Fischsuppe gewesen. Fisher behauptet, jede einzelne Zutat stünde für ein anderes Mitglied seiner türkischen Familie, der mütterlichen Seite, aber da seine Mutter aus Billingsgate stammt und dort noch immer lebt, ist es wohl auch nicht weiter schlimm, dass dies gelogen ist: Kein zornentbrannter Cousin aus Istanbul wird auftauchen und wissen wollen, warum zur Hölle er diesen Mist in einen vollkommen ordentlichen Kaffee schüttet und damit ihren gemeinsamen guten Namen ruiniert.
»Wer ist da-aa?«, ruft Fisher aus, als die Glocke läutet, ganz türkische Würde, aber als er seinen Wieselkopf aus der Hinterzimmertür steckt, breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Es ist Joe! Big Joe! Der König der Uhrmacher! In Fleisch und Blut und höchstpersönlich! Hallo, Maestro, was kann ich für dich tun?«
»Ich gehöre doch nicht mehr dazu, Fisher …« Er hebt einen warnenden Finger, weil Fisher den Mund öffnet, um eine enthusiastische Antwort zu geben, und fügt hinzu: »Ja, ich weiß, dass ich es so gewollt habe. Aber jetzt habe ich eine Frage, und es gibt nur einen, an den ich mich wenden kann, nicht wahr? Weil du alles weißt.«
»Ja, stimmt, so ist es.« Fisher wirft sich in die Brust.
»Ich hatte Besuch«, sagt Joe. »Zwei Männer von einem Museum, das nicht existiert. Einer dick, der andere dünn. Kultiviert. Mein Bauch sagt Polizei. Titwhistle und Cummerbund.«
Fisher schüttelt den Kopf. »Nichts.«
»Gar nichts?«
»Hab nie von denen gehört, hab sie nie geschmiert, sie nicht mal vergessen. Tut mir leid.«
»Was ist mit Hexen?«
»Hab eine geheiratet.«
»Dann Mönche. Ganz in Schwarz und …« Aber Fisher ist bereits aufgesprungen und hat die Tür abgeschlossen, und in seinen Augen flackert eine fiebrige Erregung, die Joe dort noch nie zuvor gesehen hat, die er bei Fisher gar nicht für möglich gehalten hätte, schließlich ist dieser immer entweder ausgelassen oder aufgeblasen, aber niemals außer Fassung.
»Herrgott!«, sagt Fisher. »Diese Schweine! Bruder Sheamus und seine verdammten Gespenster! Heiliger Bimbam. Die sind doch nicht hier , oder?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Aber du hast sie gesehen? Sie waren bei dir?«
»Ja, sie …«
»Verdammt, Joe, du machst es einem nicht leicht, mit dir befreundet zu sein – was wollten sie denn?«
»Ein Buch.«
»Ein Buch? Ein Buch ? Scheiße, gib es ihnen, du vermaledeiter Pisser! Gib’s ihnen, und dank ihnen dafür, dass sie so nett gewesen sind, es dir aus den Händen zu nehmen, statt zu ihrer üblichen Methode zu greifen und dir deine scheiß Hände abzuhacken . Und dann
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