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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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ihn verständnislos anblickt, fährt er fort: »Es ist ein Pfeil, abgefeuert gegen die Tempel des Molochs und des Mammons. Es macht die Welt besser durch seine bloße Existenz. Ist das nicht wundervoll?«
    Ja , denkt Joe. Das ist in der Tat wundervoll. Aber es ist auch etwas irre und jenseits von Gut und Böse.
    Die Bienen sitzen noch immer auf der Außenhülle des Bienenstocks und saugen die letzten Strahlen der schwächer werdenden Sonne auf. Sie sehen aus wie winzige Urlauber auf ihren Badetüchern. Joe zuckt ängstlich zusammen, als eine von ihnen in die Luft aufsteigt, ihn neugierig umkreist und gegen seine Stirn knallt, bevor ihm klar wird, dass es eine echte Biene sein muss, die sich während seines Gespräches mit Sholt auf dem Stock niedergelassen hat. Es sind ja hier überall echte Bienen, in den echten Bienenstöcken.
    Und was hältst du von diesen Dingern? , fragt er das davonfliegende Insekt. Findest du sie hübsch? Oder machen sie dir Angst? Werdet ihr diesen Metallmonstern den Krieg erklären? Oder versuchen, mit ihnen Liebe zu machen?
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Fotos schieße?«, fragt Joe.
    »Nur zu«, sagt Sholt beinahe träge. »Es hat jetzt begonnen. Jetzt können wir nur noch abwarten. Aber sehen Sie sich vor, Uhrwerke-Spork. Es werden Männer kommen. Schatten und Geister.« Sholt bückt sich, greift sich die vom Bienenstock gefallene Biene und reicht sie Joe. »Als Glücksbringer.«
    Joe will schon ablehnen, auch wenn er sie eigentlich sehr gerne annehmen möchte, als ihm Billy Friend kraftvoll auf den Fuß tritt.
    »Na, das ist ja toll«, sagt Billy fröhlich, um Joes unterdrückten Schmerzensschrei zu übertönen. »Vom Feinsten. Sie haben’s echt hübsch hier, Ted. Rufen Sie uns an.« Er hält ihm mit beiden Händen seine Karte hin, nach japanischer Art, und Ted akzeptiert sie in gleicher Weise und beugt sich darüber. »Wenn Sie noch weitere Arbeiten zu erledigen haben, wird es Friend & Company eine Freude sein, Sie zu beraten, entsprechend der üblichen Honorare, versteht sich. Das hätten wir also, alles gut.« Billy weicht etwas nervös zurück, als würde sich Sholt gleich wieder auf ihn stürzen.
    »Ja«, sagt Sholt. »Es ist gut. Vielleicht können wir die echten Bienen retten. Das sollten wir wirklich. Die Wahrheit wird ans Licht kommen.« Und dann senkt sich wieder der Nebel über sein Gesicht, ganz unvermittelt, als hätte er ihn all die Zeit über zurückgehalten und als sei er nun plötzlich an ihm vorbeigeschlüpft. »Sie sollten gehen«, sagt er. »Hier ist es nicht sicher. Nicht jetzt. Nicht mehr. Sie werden kommen. Das werden sie. Dies wird der erste Ort sein. Gehen Sie rasch. Benutzen Sie die hintere Treppe.« Er drängt sie zur äußersten Tür neben den geöffneten Fenstern. Billy Friend gibt einen Laut von sich wie ein Hund, der ein Eichhörnchen im Ganzen verschluckt hat, als Sholt die Tür aufreißt und das Geräusch des Meeres zu ihnen hinaufdringt.
    »Oh, heilige Scheiße«, sagt Billy und wird sehr blass. Als Joe hinunterschaut, versteht er auch sofort, warum.
    Das Gewächshaus steht am äußersten Rand der Klippe, und das Land darunter ist vollständig von den Wellen verschluckt worden. Die gesamte hintere Hälfte des Raumes hängt frei über dem Abgrund. Diese Galerie mit ihren wettergegerbten Planken und dem verrosteten Geländer ragt mehr als sechs Meter über der brausenden, weiß schäumenden See heraus.
    »Geht!«, brüllt Sholt. »Es ist nicht sicher!« Und Billy sagt, ja, das stimmt verdammt noch mal, und stürzt zur rückwärtigen Treppe und dann Richtung Auto.
    Während sie davonfahren, Billy das Gaspedal durchdrückt und ein Strom wilder Flüche aus ihm heraussprudelt, wirft Joe einen Blick zurück und sieht Ted Sholts Umriss, der sich vor dem Himmel abzeichnet, die Arme weit ausgestreckt, in einer Geste, als wolle er das Meer dazu bringen, sich zu teilen. Wie als Antwort auf sein Gebet erhebt sich über dem Gewächshaus eine Wolke aus Bienen in die Luft, ein ausschwärmender, kreisender Nebel, der ihn umgibt und um ihn herumwirbelt, dann in die Höhe schießt und aufs Meer hinaus. Joe hat das verrückte Gefühl, dass es die kleinen Uhrwerkroboter sein könnten, die ausgeschwärmt sind, und fragt sich, ob er gerade so etwas wie ein künstlicher Geburtshelfer gewesen ist.
    »Ich habe keine Ahnung, Joseph«, sagt Billy Friend, und Joe wird klar, dass er laut gesprochen haben muss. »Aber völlig klar ist mir, dass wir uns in den verschissenen Pub

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