Der goldene Schwarm - Roman
zurückziehen und niemals wieder von diesem Tag sprechen sollten.«
Sholt beobachtet noch immer die Bienen – vielleicht in der Furcht, sie würden, beleidigt durch die Anwesenheit ihrer metallenen Geschwister, niemals zurückkehren –, als Billy die Gangschaltung betätigt und den Wagen in eine Senke steuert, sodass das Gewächshaus außer Sicht verschwindet.
Tess ist bereits nach Hause gegangen, als sie ins Gryffin zurückkehren, aber der Wirt wirft Joe einen mitleidigen Blick zu, der ihm verrät, dass die Geschichte seiner Unfähigkeit bereits die Runde gemacht hat.
»Würden Sie sie von mir grüßen?«
»Könnt ich. Besser wär’s aber vielleicht, wenn Sie am Wochenende wiederkommen und selber mit ihr sprechen. Es gibt da einen Laden in der Stadt, wo man ganz ordentlich was essen kann.«
»Meinen Sie, das würde ihr gefallen?«
»Ich denke, Sie werden’s nie rausfinden, wenn Sie nicht wiederkommen und es ausprobieren.«
Joe Spork ist wütend auf sich selbst. Von allen seinen Unfähigkeiten verachtet er vielleicht am meisten seine Unfähigkeit, zu flirten und vom Flirten zu ernsthafteren Dingen überzugehen. Es ist einer der Gründe, warum er am Ende immer bei ungeduldigen Frauen landet, was wiederum dazu führt, dass er selten sehr lange in einer Beziehung ist.
Er schüttelt seine Schwermut ab und lässt den Tag Revue passieren, schaut sich die Fotos auf seiner Kamera an und geht im Kopf seine kleinen Schätze durch: die Biene und den Frickelstab. Erstaunlich.
»Wo kommt ihr her?«, fragt er seine kleine Sammlung, ein wenig erstaunt darüber, wie laut seine Stimme klingt. »Wer hat das Ding in dem Haus gemacht?«
Wie als Antwort darauf findet sein Finger eine Unebenheit auf dem Knauf, eine Art Grübchen. Er stochert mit seinem Daumennagel daran herum. Ein Stück versilbertes Wachs fällt ab – ein Juwelierstrick, mit Metall überzogenes Wachs, das einen Makel verdeckt. Er pult noch ein Stück ab und noch eines und noch eines, bis ein glänzendes metallenes Wappen erkennbar ist: dasselbe skizzenhaft eckige Symbol, das aussieht wie ein nach außen gedrehter Regenschirm oder Dreizack.
»Billy?«
Billy Friend, der sogleich nach Ankunft im Pub damit begonnen hat, eine quirlige, üppige Amerikanerin zu verführen, die sich auf einer Wanderreise über die Britischen Inseln befindet, lernt gerade, wie man in Idaho Ich finde Sie sehr attraktiv sagt.
»Billy, komm mal her und schau dir das an.«
»Ich schau mir hier grad andere Sachen an, Joseph. Zwei, um genau zu sein.«
»Billy …«
»Würdest du mich entschuldigen, mein Schatz? Mein langweiliger Freund da drüben ist auf die Unterstützung meines enormen Verstandes angewiesen.«
Seine Inamorata macht irgendeine schlüpfrige Bemerkung, die Billy offenkundig sehr zusagt, lässt ihn aber ziehen. Billy kommt herübergeschlendert.
»Billy, weißt du, was das ist?«
Billy Friend holt eine Juwelierlupe hervor und steckt sie sich majestätisch ins rechte Auge. Dieser Beweis seiner Professionalität und seiner Weisheit bleibt nicht unbemerkt.
»Hallo, hallo … ja, genau, ja, sehr gut … wunderbar. Hätte das dort gar nicht erwartet.«
»Weißt du, was es ist?«
»Kein Grund, so überrascht zu tun, Joseph.«
»Auf dem Buch ist das auch. Hab ich recht? Ich habe es schon irgendwo gesehen, oder?«
»Was das anbelangt, habe ich keine Ahnung. Aber ich weiß, was es bedeutet.«
»Ja?«
»Ha! Lass dich nicht von der kleinen Tess damit erwischen. Dann wird sie dich nie wieder so anschauen. Es ist ein verwachsener Fuß. Er bezeichnet einen Unreinen.«
»Unrein?«
»Ja, kurz gesagt. Siehst du, meine Familie ist ja nun auch noch nicht ewig im Bestattergewerbe, okay? Bei uns war’s eine Frage der ökonomischen Notwendigkeit, und dann hat sich herausgestellt, dass wir gut darin waren. Aber es gibt andere, wie ich dir erzählt habe, die sind schon länger dabei. Und damals, in den alten, alten Tagen, da wurden manche Menschen als von Geburt unrein bezeichnet, okay? Die durften keinen Umgang mit den normalen Menschen haben, und sie mussten einen Gänsefuß bei sich tragen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit bewegten, damit die Leute wussten, dass sie sie nicht berühren durften. Leprakranke zum Beispiel. Oder Rothaarige. Vielleicht hatten sie auch wirklich verwachsene Füße. Wer weiß? Am Ende wurden dann Totengräber aus ihnen und Sargbauer und so was. Und wenn du mich nun entschuldigen würdest, ich werde jetzt mit der jungen Dame da drüben eine Reise
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