Der goldene Schwarm - Roman
Basil, der einst einen Die-Chance-deines-Lebens-Deal abgeschlossen hat und sich mit zweiunddreißig zur Ruhe setzen konnte. Er hat das Haus gekauft, um darin zu leben, einige Freunde und Familienangehörige zu sich geholt, dann festgestellt, dass sie ihn ausnutzten, und sie alle wieder rausgeschmissen. Heute lebt er allein und malt von seinem Balkon aus sehr, sehr schlechte Landschaften. Basil macht sich keinerlei Illusionen über die Qualität seiner Arbeit, er malt eben einfach gern. Billy macht er wahnsinnig. Joe wiederum kann mit Basil stundenlang über nicht sehr viel reden, da Basil nicht das Bedürfnis hat, irgendetwas zu kontrollieren, zu beweisen oder herauszufinden. Er lässt sich einfach treiben, malt, ist hin und wieder sehr betrunken und tanzt in Clogs auf dem ultramodernen Fußboden seiner riesigen Wohnung. Sein Teil der Treppe ist ein merkwürdiger, durchscheinender Block, der aussieht, als stamme er aus einem Aquarium.
Dritter Stock – dicker, luxuriöser Teppichboden. »Fickparadies«, wie Billy wissend sagt. Der oberste Stock des Gebäudes ist ziemlich klein, denn Basils Wohnung ist doppelt so hoch wie der Rest. Trotzdem hat man in einem Soho-Penthouse immer dieses James-Bond-Gefühl, und Billy reizt das bis zum Letzten aus. Seine Wohnungstür verfügt über ein weiteres Kombinationsschloss, doch mit diesem meint er es ernster.
»Billy!«, ruft Joe und hämmert gegen die Tür. »Was ist denn los, verdammt noch mal? Geht’s dir gut?«
Billy Friend antwortet nicht. Nicht unüblich. Er hat einen festen Schlaf, und hier oben ist er auch nicht oft allein. Wahrscheinlich schlüpft er gerade in seinen seidenen Morgenmantel.
»Hey! William Friend! Hier ist Joshua Joseph Spork, und bevor du dich in ein wärmeres Klima verdrückst, muss ich noch ein Hühnchen mit dir rupfen! Billy! Mach auf!« Joe hämmert noch einmal gegen die Tür, und dann, als der Riegel klickt und die Tür sich einen Spaltbreit öffnet, macht sein Herz einen plötzlichen Sprung, bei dem ihm ganz schlecht wird.
Ach du Scheiße.
Einerseits hat Joe noch nie so eine Situation erlebt. Andererseits ist er schon mal im Kino gewesen, und er weiß, dass Türen, die von selbst aufgehen, wenn man sie berührt, ein schlechtes Zeichen sind. Irgendwo in seinem Hinterkopf sprechen die Stimmen des Nachtmarkts: Alte Instinkte aus zweiter Hand raten ihm zur Flucht.
Reine Melodramatik. Am wahrscheinlichsten ist es, dass Billy gerade ein Stockwerk tiefer Basil zu überreden versucht, ihm für die Flucht vor einem erbosten Kunden seinen Mercedes zu leihen. Außerdem ist Joe der Inbegriff gesetzestreuen Verhaltens, hat seinem alten Dad ein unwahrscheinliches Versprechen gegeben und sich seitdem auch daran gehalten. Die Welt, in der er lebt, schließt keinen Schusswaffengebrauch ein und auch keine schmutzigen Geschäfte mit tödlichem Ausgang. Und das ist ja immer noch London.
Er öffnet die Tür.
Billy Friend ist pingelig. Er macht gern einen halbseidenen Eindruck, aber obwohl der Knoten seiner Krawatte stets am dritten oder sogar am vierten Knopf seines Hemdes liegt, ist er ein sehr ordentlicher Mensch. Joe vermutet, dass ebendiese Ordentlichkeit auch zum Teil für die Entscheidung verantwortlich war, sich eine Glatze zu rasieren. Die Asymmetrie, die Unvorhersehbarkeit, die Unordnung seines halb bedeckten Kopfes hat ihn wohl mindestens ebenso sehr beleidigt, wie sie seine Chancen bei den Ladys gemindert hat. Billys einzige feste Freundin in den letzten zehn Jahren – eine quirlige Mitvierzigerin namens Joyce, deren bemerkenswertes Dekolletee noch von einem wunderbar schlagfertigen Witz übertroffen wird – wurde am Ende wohl nicht deshalb zurückgewiesen, weil sie ihn heiraten wollte oder die Verheerungen der Natur an ihrem Körper zu offenkundig wurden, sondern weil es ihr grundsätzlich egal war, wo sie ihre Strümpfe liegen ließ. Wenn Joyce von einer Nacht im Lab oder im Fioridita nach Hause kam, schmiss sie Unterwäsche, Oberteile und Schuhe für gewöhnlich in verschiedene Ecken des Zimmers. Dann zog sie Billy ins Bett, warf seine geliebten italienischen Schuhe ins Waschbecken oder band sich mit seiner besten Seidenkrawatte die Augen zu.
»Ich liebe die Frau, Joe«, jammerte Billy noch kurz vor der Trennung, »aber sie ist tödlich für die Garderobe eines Mannes und katastrophal für den Frieden seiner Räumlichkeiten.« Für Billy ist sein Penthouse, über dem Tumult von Soho, eine Kapelle der Ruhe.
Deshalb wächst auch Joes
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