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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nötig sein, es länger als zweimal klingeln zu lassen, bevor eine von ihnen den Hörer abnimmt. In ihrem Privatleben hören die Extra-Bethanys auf die Namen Gwen, Rose und Indira. Doch das ist nicht von Bedeutung. Wenn sie dieses Telefon abheben, dann sind sie Bethany.
    »Guten Abend, Bethany, hier ist Joshua Joseph Spork.« Bethany (wie alle Bethanys) kennt den Namen und die Geschichte eines jeden Mandanten, der Zugang zu dieser Nummer hat. Es gibt nicht viele – aber ganz davon abgesehen ist der Name Spork ein Freifahrtschein bei Noblewhite Cradle.
    »Guten Abend, Mr Spork, wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich brauche Mercer, bitte.«
    »Mr Mercer?« Sogar Bethany zögert eine Sekunde. »Wirklich, Mr Spork? Sind Sie sicher?«
    »Ja, Bethany, ich fürchte, ja.«
    Stotternd klickt es in der Leitung. Bethany hat den Anruf von einem Standardtelefon auf ein Headset umgeschaltet, sodass sie beide Hände zum Arbeiten frei hat. Sie kann beidhändig schreiben und hat zwei Computer vor sich, jeder davon so eingerichtet, dass er mit einer Hand zu bedienen und an das Kommunikationssystem von Noblewhite Cradle angeschlossen ist. Bethany ist nun also in der Lage, drei Dinge gleichzeitig auszuführen. Die eine Hand tippt auf Joes Anfrage hin die Nummer eines Nebenanschlusses ein. Die andere alarmiert diskret die Seniorpartner über den Umstand, dass Mercer Cradle persönlich angefordert wurde und sie daher mit den üblichen wahnsinnigen Konsequenzen rechnen müssen. Währenddessen setzt sie ihr Gespräch mit Joe fort.
    »Ich habe hier die Liste, Mr Spork. Hat sich im Verlauf der letzten Tage irgendetwas zugetragen, von dem ich wissen sollte?«
    Die Cradle-Liste ist ein gern zitierter Witz in den juristischen Fachblättern, das Monster von Loch Ness unter den Dokumenten. Jonah Noblewhite wurde seinerzeit in Karikaturen gern als eine Art finsterer Weihnachtsmann dargestellt, der auf seiner Liste sämtliche Jugendsünden der Hochgestellten und üblichen Verdächtigen vermerkt hatte, um sie besser vor der Welt geheim halten zu können. Wenn die Karikatur die schottische Gerichtsbarkeit zum Ziel hatte, war Nessie selbst oft der Mandant. Joe sagt Bethany, dass sein Eintrag, soweit er wisse, noch aktuell sei.
    »Ich stelle Sie jetzt durch. Werden Sie noch ergänzende Dienstleistungen benötigen?« Was heißen soll: Müssen wir Sie noch mit einer Kaution auslösen, die Negative beschaffen oder ein Pokerspiel fingieren, an dem Sie am vergangenen Abend teilgenommen haben sollen?
    »Im Augenblick nicht, danke«, erwidert Joe höflich.
    »Sehr schön«, sagt Bethany, und es klingt, als wolle sie ihm dazu gratulieren. Joe hat nie auf die ausgefalleneren Dienste der Kanzlei Noblewhite Cradle zurückgegriffen, zumindest nicht direkt, auch wenn er den Verdacht hegt, dass sein Vater es für ihn getan hat, als er noch ein Kind war. Bethany freut sich immer, wenn ihr jeweiliger Schützling bloß der Augenzeuge und nicht der Arrestant ist.
    »Ich bin in der Lobby vom Wilton’s«, sagt Mercer Cradles Stimme freundlich, »wo mein Lammkarree soeben eingetroffen ist und neben einem Glas unantastbarem Sassicaia kalt wird. Da meine Dinnerbegleitung mir kurz nach dem Fischgang bereits ihren Gin Tonic ins Gesicht geschüttet hat, haben Sie meine volle Aufmerksamkeit, vorausgesetzt, dass jemand gestorben ist. Ist jemand gestorben? Denn anderenfalls …«
    »Ich bin’s, Mercer«, sagt Joe.
    »Oh«, sagt Mercer. Und dann: »Joe, um Himmels willen, du hast doch meine Handynummer.« Und dann zögerlich: »Oh, Scheiße. Was ist passiert? Sag niemandem außer mir ein Wort.«
    »Billy ist tot, Mercer. Ich habe ihn gerade gefunden.«
    »Billy Friend?«
    »Ja.«
    »Tot im Sinne von auf der Seife ausgerutscht oder tot im Sinne von ›Colonel Mustard in der Bibliothek mit dem Bleirohr‹?«
    »So ziemlich das Letztere.«
    »Und du, armer Tölpel, stehst jetzt am Tatort und steckst bis zum Hals in der Scheiße.«
    »Ja.«
    »Bethany? Was ist mit der Polizei?«
    »Ist bereits auf dem Weg, Mr Cradle. Jemand hat sie vor fünf Minuten alarmiert.«
    »Joe, du bist ein Esel. Warst du das?«
    Joe weiß es nicht. Es könnte sein.
    »Ist egal. Erste Frage: Bist du Colonel Mustard?«
    »Nein.«
    »Du bist in keiner Weise, Ausprägung oder Form der Colonel?«
    »Nein.«
    »Könnte sich irgendjemand böswilligerweise vorstellen, dass du wie ein Mann des Militärs aussiehst? Hat man gesehen, wie du mit Klempnerzubehör die Bibliothek betreten hast?«
    »Ich habe Billy gesucht.

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