Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Joshua Joseph hält einen Moment inne, um sich vorzustellen, wie sein Vater als ungleichseitiges Dreieck aussehen würde: ein komisches Bild.
    An diesem Tag gibt Mathew Spork eher den Geschäftsmann als den Gangsterfürsten, und daher hat er fast alle seine Waffen in der Kiste unter dem Bett gelassen. Nur fast alle, denn ein Mann in seinem Berufszweig läuft nicht einfach ohne jedes Hilfsmittel in der Gegend herum, mit dem er im Bedarfsfall jemanden in Schach halten könnte.
    Er wartet auf Antwort. Der kleine Joshua Joseph – der sich gerade vorgestellt hat, wie er die Kronjuwelen raubt und durch eine Reihe von Tunneln und über steile Abhänge flüchtet – erwidert: »Buhhh!«
    Eigentlich mag Joshua Joseph die Schule ganz gern. Sie ist vorhersehbar und somit erholsam, und Dinge, die anfangs unerklärlich scheinen, werden in ihr klar. In dieser Hinsicht ist die Schule das genaue Gegenteil seines Lebens, das trotz Jahren intensiven Studierens mysteriös bleibt. Außerdem ist er der allgemein anerkannte Chefrabauke einer kleinen Bande von unter Zehnjährigen. Andererseits hält ihn die Schule von seinem Vater fern, den er für seine Großartigkeit bewundert und der ihm in gleichem Maße wegen seines lärmenden Gehabes auf die Nerven fällt.
    Mathew stellt zwei blaue Frühstücksschalen auf den Tisch. »Ganz recht«, sagt er. »Ein Buuuuh auf die Schule und ein Hurra auf Mum und Dad und Grandad und den ganzen Rest. Trotzdem, Josh, ist die Schule ein notwendiges Übel. Hast du Hunger?«
    »Ja, Dad. Was sind hochherrschaftliche Geschäfte?«
    »Die von Königen und Premierministern. Sie führen die bedeutenden Nationen dieser Erde, treffen gewichtige Entscheidungen – und unter diesen bedeutenden Nationen hat welche die strahlendste Zukunft vor sich? Die besten Soldaten und die großartigsten Führer? Und welche, Josh, hat den klügsten und raffiniertesten Erben für ihren Thron?«
    »England!«
    »Nah dran, Josh. Sehr nahe. Aber, nein! Die Nation, von der ich spreche, ist das Hause Spork, mit seinem guten und wunderbaren Prinzen Joshua Joseph, gesegnet sei er und alles, worüber er herrscht. Ja?«
    »Ja, Dad.«
    »Also schön. Eier oder Cornflakes?«
    Und Joshua Joseph gibt die Antwort, von der er meint, dass sie sein unermüdliches Elternteil zufriedenstellen wird. Papa Spork hat nicht die geringste Ahnung davon, wie sehr die ewigen Sprüche seinem Sohn bisweilen zusetzen. Er hält sich selbst für sehr witzig: ein Dad, der alle Dads hinter sich lässt. Aber seine schiere Lautstärke, das schonungslose Sprudeln, sein unablässiges Gerede über die grandiose Bestimmung der Familie Spork, die tiefe Überzeugung, dass bereits hinter der nächsten Ecke der Erfolg auf das junge Leben seines Sohnes wartet – all das ist an manchen Tagen einfach zu viel. Die Kronjuwelen hat Joe inzwischen vergessen und muss nun daran denken, wie er vor Kurzem mit seiner Klasse das Britische Museum besucht hat, wobei er eine Vielzahl interessanter und aufschlussreicher Dinge zu Gesicht bekam – einschließlich der aufwühlend erotischen Unterwäsche seiner Klassenlehrerin, als sie sich vorbeugte, um auf ein neolithisches Ritualobjekt zu deuten. Woran er sich aber zurzeit am stärksten erinnert fühlt, ist das Joch in der Landwirtschaftsausstellung, unter dem ein Paar prächtig ausgestopfter Ochsen steckte.
    Manchmal, zwischen Momenten der Heldenverehrung und der haltlosen Minderwertigkeitsgefühle, hat Joshua Joseph den Eindruck, dass ihm sein Vater in ziemlich genau dieser Weise auf den Schultern lastet und er ihn mitschleifen muss, wohin er auch geht, ganz gleich, ob sein Vater anwesend ist oder nicht.
    Papa Spork lässt die Eier anbrennen, was ihn in seiner eigentümlichen Weltsicht nur weiter darin bestätigt, an die unermessliche Genialität des Hauses Spork zu glauben, und dazu bringt, zu den Cornflakes zu greifen. Doch auf irgendeiner Ebene muss Joshua Josephs Vater doch bemerkt haben, dass dieser Morgen von dem üblichen perfekten Marsch zur dynastischen Hegemonie abgewichen ist, denn er macht ein Zugeständnis, auf das Joshua Joseph seit Wochen gewartet hat:
    »Willst du morgen mit zum Nachtmarkt kommen?«
    »Ja, Dad, bitte!«
    »Ich frage deine Mutter, ob sie nichts dagegen hat. Und du legst dir ein paar schicke Sachen zurecht.«
    »Das mach ich.«
    Der Nachtmarkt ist ein Traum. Er ist das magische Herz der Stadt, und wie Mathew vertraulich versichert, gibt es auf der ganzen Welt nichts, was vergleichbar großartig und magisch

Weitere Kostenlose Bücher