Der goldene Schwarm - Roman
umgedreht.
Mathew drückt ihn in einer hitzigen Umarmung an sich. »Wir haben einen Gewinner«, sagt er noch einmal in Joes Haarschopf hinein. »Mein Sohn. Ein echter Gewinner.«
Und das gibt den Ausschlag. Es passiert tatsächlich.
Es ist der beste Tag in Joshua Josephs jungem Leben, der allerbeste aller Zeiten.
Wir gehen zum Nachtmarkt!
Harriet Spork zupft noch einmal an seinem Revers und dem senffarbenen Rollkragenpulli herum, und Mathew sieht mit breitem Grinsen zu.
»Der kratzt«, wendet der junge Spork ein. Mathew Spork nickt. Er trägt exakt dieselbe Aufmachung.
»Anfangs, Josh, aber nach einer Weile gewöhnst du dich daran, und dann vermisst du’s, wenn’s nicht mehr da ist. Du willst doch wie ein gestandener Mann aussehen, oder? Für den Markt?«
»Ja, Dad.«
»Na also.«
Joshua Joseph wartet geduldig, bis seine Mutter – noch einmal – seine Haare gerichtet hat, hockt ruhig auf dem Rücksitz des Wagens von seinem Vater, sehr aufrecht, und setzt einen Blick auf, den er sich als überaus erwachsen vorstellt. Durch die Straßen Londons fahren sie, erst schnell, dann langsam, dann wieder schnell, und der große Wagen bäumt sich auf und schießt vor, während Mathew Spork das Gaspedal durchtritt und darauf achtet, dass niemand im Rückspiegel auftaucht.
Joshua wird schlecht, was er mannhaft für sich behält. Harriet lehnt sich an ihren Mann, als dieser mit fünfzig Sachen in eine Rechtskurve rast und die Reifen auf dem Boden bleiben, als seien sie dort festgewachsen. Mathew grinst sie wild an, ihr gerötetes Gesicht und den leicht geöffneten Mund.
Nach zwanzig Minuten räumen ehrwürdige Residenzen den Platz für hohe Häusertürme. Nach weiteren zehn schrumpfen die Türme zu Gewerbeparks und Garagen, und dann fahren sie an einer weiten Graslandschaft entlang. Im Mondlicht kann Joshua Joseph kurz einen Stadtfuchs an einem Zaun ausmachen.
»Also schön, Josh, wir sind da.«
Sie steigen aus dem Auto. Joshua Joseph riecht Januarfrost und den scharfen Duft von brennendem Holz. Überall um sie herum stehen hohe, leere Gebäude, und die Geräusche knarzender Schiffsrümpfe dringen vom nahe gelegenen Fluss herüber. Seine Schuhe schlurfen im Schlamm, finden Kies. Sein Vater mahnt sie beide zur Eile, also beeilen sie sich. Über einen mit schwarzem Eis und Autoreifen bedeckten Friedhof und an dem spröden Kadaver einer Winterente vorbei. Mathew öffnet eine merkwürdige ovale Tür und zieht sie mit sich.
Sie treten hindurch, steigen einige Stufen hinunter und gehen einen engen, gewölbten Tunnel entlang. Harriets Absätze klappern auf poliertem Beton.
»Wo sind wir?«
»Du weißt doch, wo wir sind, mein Junge. Du hast doch die Adresse herausgefunden!«
»Aber ich meine, was ist das hier?«
»Nun, manchmal haben jene ehrenwerten Personen, die großen Nationen vorstehen, ihre Meinungsverschiedenheiten. Und um jedweden körperlichen Schaden zu vermeiden, bauen sich all die Lords und Besitzer von Banken und Präsidenten unterirdische Orte, an denen sie Schutz suchen können.« Er geht voraus und eine kleine Treppenflucht hinunter. »Und dann sind da die Versorgungswege. Du weißt, was das ist? Abwasserkanäle und Zugtunnel und Wasserleitungen und so etwas. Dieser Teil hier hat seit den Tagen der guten Queen Victoria dem königlichen Post Office gehört. Ich wage zu behaupten, dass sie heute keine Ahnung haben, dass ihnen all das noch zur Verfügung stünde, diese Verschwender öffentlicher Mittel. Die damalige Post war ein Wunder, Josh, ein echtes Wunderwerk, und in der Hauptstadt musste sie es umso mehr sein, also haben sie sich eigene Schienen gelegt und pneumatische Messingrohre und Vakuumpumpen, die von Dampf angetrieben wurden. Genial. Natürlich gibt es auch mannshohe Tunnel, damit all das gewartet werden konnte. Die sind jetzt alle dichtgemacht, eingestürzt und zugeschüttet, jedenfalls, soweit es unsere Freunde von der Gesetz-und-Ordnung-Fraktion wissen. Uns aber, Josh, Männern des Marktes wie dir und mir, sind sie noch bekannt. In Paris glauben die Leute, sie hätten Katakomben, aber das ist alles nichts im Vergleich dazu, was unter London an Schätzen liegt!«
Und kaum hat sein Vater dies ausgesprochen, kann Joshua Joseph auch schon Musik hören. An der Biegung des Tunnels taucht ein gelbes, elektrisches Leuchten auf, und er riecht geräucherte Wurst und Muskatnuss, den Duft von Parfüm und den Pflanzen, die seine Mutter auf der Küchenfensterbank heranzieht.
Sie biegen um die Ecke,
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