Der goldene Thron
wusste John …? Hatte William ihm von ihrem Gespräch berichtet? Guillaume wagte nicht, zu Isabelle zu sehen. Gewiss kochte sie vor Wut und war zutiefst verletzt. Vollkommen erstarrt harrte er der Dinge, die noch folgen mochten.
»Komm, mein Kind«, sagte der König, »nimm mit deinem Gemahl den Platz an meiner Tafel ein, der dir zusteht.« Der König wies auf den Stuhl neben sich und bedeutete allen anderen aufzurücken.
Guillaume stand umgehend auf, und auch Isabelle erhob sich und rückte schweigend zwei Plätze weiter.
Hocherhobenen Hauptes nahm sie wieder neben ihm Platz, während die anderen Männer, die zuvor an ihrem Tisch gesessen hatten, sich nun am oberen Ende der unteren Tafel niederließen.
Guillaume wollte Isabelles Hand ergreifen, doch sie nahm sie vom Tisch, bevor er sie fassen konnte.
»Und nun lasst uns trinken«, rief John. »Auf meine schöne Tochter, meinen großartigen Schwiegersohn und meinen entzückenden Enkel! Warum ist er denn noch nicht hier?«
Guillaume hörte Johns ungeduldige Stimme wie durch einen dicken Vorhang, denn in seinen Ohren rauschte es, als flösse ein Bergbach darin. Isabelle! Meine Liebste! Er hätte sich vorihr auf die Knie werfen und sie um Verzeihung bitten wollen, doch er musste Haltung bewahren. Wie angewurzelt saß er darum auf seinem Stuhl, während sich der König gereizt umsah und schließlich den Lautenspielern und Pfiffern zunickte. »Spielt endlich auf!«
»Ich frage mich, woher der König es weiß«, raunte Guillaume seinem Sohn gereizt ins Ohr. »Hast du …?«
»Nein, habe ich nicht!«, erwiderte William leise, aber bestimmt.
»Deine Mutter wollte, dass ich das Geheimnis bewahre, und diese Bitte habe ich ihr erfüllt. Außer Baudouin und seit Kurzem dir hat niemand davon gewusst.« Nicht einmal Isabelle, dachte er, obwohl sie doch ein Recht auf die Wahrheit gehabt hätte. »Für Baudouin lege ich jederzeit meine Hand ins Feuer. Er schätzt John nicht besonders«, fügte er nachdenklich hinzu.
»Der König hat mir bereits bei meiner Vermählung gesagt, dass mir, als Bastard eines Ritters, diese Verbindung zustehe, auch wenn er keinen Namen genannt hat«, gab William im Flüsterton zurück. »Woher er es weiß, ist mir allerdings nicht bekannt. Doch heißt es, dass er Spitzel überall hat.«
Guillaume überlegte, von wem der König erfahren haben konnte, wer William war. An die Arbeit von Spitzeln glaubte er nicht, obwohl er John fast alles zutraute. Wie dem auch sei. John wusste es, und das nicht erst seit Kurzem, wie es schien. Warum aber hatte er niemals auch nur mit einem Wort angedeutet, dass er über Williams Herkunft Bescheid wusste? Guillaume fühlte Ärger in sich aufsteigen. Doppelgesichtig und mit gespaltener Zunge, das ist John, wie er leibt und lebt!, dachte er wütend. Andererseits hatte es William nicht geschadet, dass der König seine Herkunft kannte. Im Gegenteil. Ohne dieses Wissen hätte John einer Ehe mit Marguerite vermutlich niemals zugestimmt.
Unzählige silberne Platten mit radschlagenden Pfauen, Schwänen mit vergoldeten Schnäbeln, ganzen Schweinen und halben Ochsen wurden hereingetragen.
»Ich werde es lernen, Mylord«, hörte Guillaume Williams Pagenkleinlaut sagen, als er getadelt wurde, weil er seinem Herrn nicht das schönste Stück Fleisch ausgewählt hatte.
»Zunächst aber lerne, bei Tisch zu schweigen«, erwiderte William gedämpft, und Guillaume musste lächeln.
Voller Stolz blickte er seinen Sohn von der Seite an. Gewiss würde Isabelle ihm später bittere Vorwürfe machen, weil er ihr den Sohn verschwiegen hatte. Doch er war nicht nur feige gewesen, er hatte sie auch schützen wollen. Vor ihrer eigenen Eifersucht und vor dem Schmerz, den sie nun erdulden musste und den er nicht würde lindern können.
Als der Page des Königs nicht zurückkehrte, begann Guillaume sich Sorgen um seinen Enkel zu machen. Er wollte sich bereits erheben, um sich auf die Suche nach dem Jungen zu begeben, als er hörte, wie William seinen Pagen damit beauftragte. Er schien nicht allzu beunruhigt zu sein, vielleicht war es also voreilig, gleich loszustürmen. Gewiss würden sie den Jungen auch ohne seine Hilfe finden. Guillaume beschloss, Geduld an den Tag zu legen und zu warten. Isabelle war auch so schon wütend genug! Als er endlich wagte, einen kurzen Blick in ihre Richtung zu werfen, erschrak er zutiefst.
Sie hatte den Kopf stolz in die Höhe gereckt und lächelte! Ja, sie strahlte geradezu.
Wie am Tag unserer Hochzeit sieht
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