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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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spähte hinüber zum Wochenmarkt, hörte dem Rufen der Höker zu und versuchte ein helles Frauenlachen auszumachen, als es an der Tür klopfte und Pfarrer Porstmann eintrat.
    »Puh!« Pfarrer Porstmann hielt sich die Nase zu und sah auf den dampfenden Destillierapparat. »Was wird das?«
    »Phosphor, Herr Pfarrer. Böttger hatte damit Proben angestellt.«
    »Recht so, mein Sohn. Hier!« Pfarrer Porstmann stellte sich zu Lips ans Fenster und schnappte einige Male nach der frischen Luft, dann machte er ein Zeichen, Lips solle das Fenster schließen. Pfarrer Porstmann zog ein Bündel Papier unter seinem Mantel hervor und reichte es Lips. »Das hier ist streng geheim und muss unter uns bleiben«, sagte der Pfarrer leise. »Gelob es vor dem Herrn!«
    »Ja, Herr Pfarrer, ich gelobe«, sagte Lips aufgeregt und las die Überschrift auf dem obersten Blatt:
    Liste der benötigten Materien für das Laboratorium des königlichen Hofalchemisten Johann Gottfried Böttger auf der Jungfernbastei zu Dresden
    »Aber … ehm … Herr Pfarrer!« Aufgeregt überflog Lips die Seiten. Es waren lange Auflistungen von chymischen Materien mit genauen Mengenangaben dahinter. »Das ist wirklich von Böttger?«, fragte er ungläubig. »Wie, ehm…«
    »Ja, es ist eine Bestellung für die Hofapotheke in Dresden. Es war nicht einfach daranzukommen.«
    »Aber die Handschrift, mit Verlaub, die ist nicht von Böttger.«
    »Die ist von jemand anderem. Sagen wir, von einem Glaubensbruder. Mehr musst du nicht wissen. Hier, die letzten beiden Blätter sind die letzte Bestellung Böttgers aus diesem Monat.«
    Lips setzte sich an den Tisch und studierte die Listen, während Pfarrer Porstmann still neben ihm saß und ihn erwartungsvoll ansah. Das meiste waren Materien, die Böttger auch hier im Laboratorium gebraucht hatte – so weit Lips jedenfalls davon mitbekommen hatte. Dann waren aber auch seltene Materien aufgelistet, wie Sperma Ceti, von dem Lips wusste, dass es sehr kostbaren Seifen zugesetzt wurde. Lips stutzte, denn daraus konnte auch in einem etwas umständlichen Verfahren mit hochwertigem Benzoe und Spiritum vini eine hochrote Tinktur gezogen werden. Wie die alten Adepten schrieben, war der Stein der Weisen eine rote Tinktur. Manche schrieben auch, es wäre ein Pulver, aber ebenfalls von tiefroter Farbe. Die Beschaffenheit war offensichtlich nicht wichtig. Das Benzoe fand Lips auf einem anderen Blatt, und Spiritum vini hatte Böttger sowieso auf jeder Liste in großen Quantitäten bestellt. Wahrscheinlich trank er noch immer übermäßig davon.
    »Was ist?«, fragte Pfarrer Porstmann, der seinen Eifer bemerkt hatte. »Hast du etwas gefunden?«
    »Es könnte die Fährte zum Stein der Weisen sein«, sagte Lips ganz in Gedanken. Böttger hatte auffällig viel Flussspatsäure verlangt, auch Salzsäure, verstärkte Vitrolsäure und Arseniksäure.
    »Und?«, fragte Pfarrer Porstmann.
    Lips stand auf, fühlte vorsichtig am Destillierapparat, ob die Dunstkammern noch heiß genug waren, und legte Holz nach. »Ich weiß noch nicht. Darf ich die Listen behalten?«
    »Sie sind für dich. Nur für dich!« Pfarrer Porstmann nickte gewichtig und zog ein weiteres Bündel Blätter hervor. »Hier ist noch etwas: Diese Listen sind von Dippel. Jetzt schau doch nicht so entgeistert! Es ist keine Sünde, glaub mir. Es darf uns doch niemand bei der Suche nach dem Stein zuvorkommen. Nicht auszudenken wäre das! Die Materialien hier hat Dippel über einen Strohmann in unserer Apotheke bestellt. Und das hier«, Pfarrer Porstmann zeigte auf zwei andere Blätter, »das hat er sich aus der Schlossapotheke kommen lassen. Und hier ist die Liste für einen Materialisten aus der Spandauer Vorstadt.«
    »Dann verteilt Dippel seine Einkäufe!«
    »Ja, er hat auch bei einem Apotheker in der Klosterstraße eingekauft und der Hofapotheke. Ich weiß noch nicht, was es war. Dippel ist sehr misstrauisch! Er brütet etwas aus in seinem kranken Hirn, ich spüre es. Es ist ihm alles zuzutrauen. Dippel ist ein fanaticus!«
    Lips studierte die Listen. »Es sind alles ganz gewöhnliche Materien. Nein, es ist nichts Auffälliges dabei. Nur eine große Menge Glaubersalz. Vielleicht ist ihm der Darm zu träge.«

35
    An einem Abend war Lips ganz niedergedrückt. Es war ihm nach einigen Versuchen tatsächlich gelungen, aus kostbarem Sperma Ceti, Benzoe und Spiritum vini eine kleine Menge Tinktur herzustellen, die an Farbe ein zartes Rosa wie Goldrubinglas hatte. Böttger hatte damals bei seiner

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