Der Goldschmied
ihren Plätzen. Nur Gwyn nicht. Er stand bereits seit Stunden zwischen zwei Wachknechten. Die Verhandlung hatte am späten Vormittag begonnen, und jetzt war es bereits weit in den Nachmittag hinein. Dies gehörte zum Verfahren vor dem Gericht der heiligen Inquisition. So sollte der Verurteilte möglichst müde und gepeinigt durch das endlose Warten vor dem Gericht erscheinen.
Man hatte Gwyns Hände mit einem Strick vor der Brust zusammengebunden. Je ein Ende hielten beide Knechte fest.
Das Gericht trat auf.
Hinter einen langen Tisch traten sechs alte Mönche. Sie trugen die einfache, schmucklose Kleidung ihres Ordens. Nur der Mann, der den Vorsitz bekleidete, trug einen langen, schwarzen Rock und eine schwarze, samtene Kappe.
Zwei Schritte neben dem Tisch stand ein hölzernes Pult. Das war der Platz des Anklägers. Der Platz von Fresenius van Straaten.
Hinter Gwyn trat sein Anwalt, der Messere Farnese, und zupfte ihn am Ärmel.
»Seid gegrüßt, Faber.«
Gwyn wollte ihm antworten, aber mit einer Geste befahl der Vorsitzende des Gerichts, Platz zu nehmen. Schweigend ließen sich die Menschen nieder. Nur Gwyn blieb stehen. Kein Angeklagter vor dem Gericht der heiligen Inquisition durfte während einer Verhandlung sitzen. Es war kein einfaches Volk zugelassen. Die anwesenden Menschen waren Mönche, viele von ihnen waren selbst Inquisitoren. Aber Gwyn konnte auch ein paar Faber in ihrer angestammten Kleidung erkennen.
Der Prozess begann.
Auf einen Wink hin führten die beiden Knechte Gwyn vor den Richtertisch. »Ihr nennt Euch Gwyn Carlisle?«, fragte ihn der Mann in jenem dunklen Gewand.
»Jawohl, Hohes Gericht«, antwortete Gwyn.
»Ist dies Euer einziger und wahrer Name?«
»Das ist er, Hohes Gericht.«
»Sprecht, was ist Euer Stand?«
»Ein Gold- und Zirkelschmied bin ich, geprüft nach römischem Brauch durch den Rat der Zehn in den Hall-Marks zu London.«
Der Richter beugte sich über einen Bogen aus Pergament und las darin. Fresenius van Straaten hatte dem Gericht sicher eine Reihe von Angaben zusammengetragen.
»Ein Geselle seid Ihr, nicht wahr?«
Gwyn hielt für einen Moment die Luft an und überlegte. Was wussten die Männer des Gerichtes? Wenn seine Antwort nicht der Wahrheit entsprach, war dies ein ungleich größeres Vergehen, als wenn er vor einem herkömmlichen Gericht die Unwahrheit sagte. Die Gerichtsbarkeit der Inquisition war es gewohnt, dass man alles tat, um sein Leben zu retten. Denn es gab nur zwei Möglichkeiten: Freispruch oder Tod durch das reinigende Feuer.
»Ich bin ein Meister in meinem Stand!«
Ein Raunen ging durch die versammelte Menge. Der Vorsitzende beugte sich nach vorne. Selbst Fresenius hatte seinen hageren Leib aufgerichtet und sah zu Gwyn.
Messere Farnese beugte sich etwas nach vorne, und er hatte Mühe, seine Stimme nicht allzu laut klingen zu lassen.
»Um Christi willen, versündigt Euch nicht, sprecht nur die Wahrheit, Signore Carlisle!«
Gwyn wandte sich ein wenig um und blickte den Advokaten an. Er erkannte die echte Besorgnis. Es tat gut, nicht allein zu sein. Nein, er verspürte keinerlei Grund, mit der Wahrheit zurückzuhalten. Hatte er dies nicht selbst dem Anwalt versprochen? Er wandte sich wieder dem Vorsitzenden zu.
»Ich darf mich Meister nennen, Hohes Gericht, nach englischem wie römischem Recht. Denn ich heiratete Agnes Borden, die Witwe des Randolph Borden. Die Ehe ist gültig.«
Von beiden Seiten beugten sich die Beisitzer zu dem Richter und flüsterten mit ihm. Der nickte nur und klopfte mit den Handknöcheln auf eine dicke Bibel, die vor ihm lag. Augenblicklich verstummten die summenden Stimmen in dem großen Saal, und der Mann sah Gwyn eindringlich an.
»Es ist wohl Gesetz. Aber nie hörte ich, dass es vollzogen. Seid versichert, wenn Ihr falsch gesagt, ist’s zu Eurem eigenen Schaden.« Die Drohung war unmissverständlich gewesen. Gwyn wusste nicht viel von der Inquisition. Aber er ahnte, dass er sich keine Fehler erlauben durfte.
»Es ist die Wahrheit, Gott weiß es«, sagte er sanft.
Der Vorsitzende blickte ihn für einen Moment an und bekreuzigte sich sodann. Die Beisitzer taten es ihm gleich.
»Ihr stammt aus Britannien, London, welche auch Eure Geburtsstadt«, stellte der Richter fest.
»So ist es.«
»Sagt, warum verließet Ihr Euer Haus und Euer Weib?«
Gwyn fühlte, wie es ihm ein wenig schwindlig wurde. Das rührte vom langen Stehen in der eingeschnürten Haltung.
»Es war die Neugier, Ihr Herren«, antwortete er nach
Weitere Kostenlose Bücher