Der Goldschmied
war.
Fresenius trat vor die Richter hin, beugte sich nach vorne und flüsterte einen kurzen Moment. Der Sprecher lehnte sich zurück, schloss für einen Moment die Augen und faltete seine Hände, so als ob er im Gebet versunken wäre. Erst nach einer Weile schlug er plötzlich mit der flachen Hand kurz und laut auf den Tisch vor sich. Augenblicklich war es still in dem großen Saal. Er wandte sich an Gwyn.
»Ihr sagt, es sei wohl Kunst. Seid Ihr bereit, dem Gericht jene Kunst zu zeigen? Vor unser aller Augen als Zeugen?«, fragte der Richter der Inquisition.
Gwyn spürte sich mit einem Mal entspannt. Das war nach seinem Geschmack. Zeigen, was er als Faber konnte, nichts leichter als das!
»Ihr Herren, jederzeit will ich’s wagen, wenn nur Raum und Werkzeug sind vorhanden!«
»Es wird alles zu finden sein, was Ihr verlangt«, sagte der Richter.
Jetzt lächelte auch Fresenius das erste Mal. Doch nur ganz kurz war dieses Lächeln, und es geriet ihm böse.
Sie trafen am selben Abend im Hause des Agistonides, eines Griechen, ein. Sein Stand war der eines Gold- und Zirkelschmiedes. Dabei war er nicht mehr in seinem Handwerk tätig. Kretische Piraten hatten ihn vor Jahren bei einer Pilgerreise gefangen genommen. Als er zu fliehen versuchte, bestraften sie ihn grausam: Sie hieben ihm die rechte Hand ab und setzten ihn an einer einsamen Küste aus. Es verging mehr als ein ganzes Jahr, bis er auf abenteuerlichem Weg zurück nach Rom gelangte.
Mit etwas Geld erwarb Agistonides eine heruntergekommene Werkstatt in Rom und erweiterte sie ständig. Durchreisende Faber, aber auch solche, die sich keine eigene Werkstatt leisten konnten, nutzten seine Räume, das Material und auch die Geräte. Alle bezahlten den Griechen mit ausgewählten Stücken, die der geschickte Kaufmann gewinnbringend weiterverkaufte.
Das brachte Agistonides genug ein, dass er sich ein prächtiges Haus auf dem Lateran leisten konnte.
Der Prozess des Gwyn Carlisle vor dem Gericht der heiligen Inquisition war seit vielen Tagen in aller Munde. Und hier, in den fackelerhellten Räumen, sollte Gwyn unter Aufsicht des Gerichtes seine Behauptungen beweisen. Fresenius hatte dies so geplant. Denn er war sich sicher, dass der Faber ohne den Beistand des Teufels zu solch Beweisen, wie er sie in der Verhandlung behauptet hatte, nicht fähig war.
Agistonides war ein Mann, der viele bedeutende Gold- und Silberschmiede aus dem ganzen Abendland kannte. Er wusste um so manches Talent. Er wusste auch von dem englischen Wunderfaber, aber er hatte nie Beispiele seiner Arbeit zu Gesicht bekommen. So war er selbst neugierig und skeptisch zugleich. Er beugte sich sofort dem Wunsch des mächtigen Fresenius van Straaten, seine Werkstatt für eine Probe zur Verfügung zu stellen. Alle Kosten dafür trug der Beklagte. Wurde er schuldig gesprochen, würde man all seinen Besitz einziehen. War er unschuldig, würde die Inquisition dem Agistonides alle Auslagen erstatten.
So verharrten sie schweigend ringsum an den Wänden, all die Mönche und die wenigen geladenen Zuschauer. Auch etliche Faber waren nun anwesend, wenn auch nur still geduldet und weit hinter den wartenden Mönchen stehend.
Es war die 21. Stunde des Tages, als die Knechte Gwyn, an den Händen gebunden, hereinführten. Das Flüstern und Raunen der Anwesenden verstummte sogleich. Das Gericht nahm an einem langen, breiten Tisch Platz, auf dem sonst edle Kunst ausgebreitet war, bevor sie montiert wurde.
Fresenius war neben dem Tisch stehen geblieben. Der Richter wandte sich mit einem Wink an Gwyn.
»Seht Euch um, Faber! Sagt uns, ob wir bald beginnen können!« Er deutete ringsum auf die Tische und die ausgebreiteten Werkzeuge.
Gwyn sah all die Menschen, die ihn stumm und mit einer seltsamen Neugier musterten, Schulter an Schulter stehend, dicht gedrängt, bemüht, keine Bewegung des Beklagten in diesem Prozess zu versäumen. Auf einen Befehl des Richters hin lösten die Wachen die Fesseln des Fabers. Gwyn streckte die Hände und seine Arme. Seine Handgelenke waren ein wenig taub, und seine Beine taten ihm weh vom langen Stehen. Doch jetzt schritt er von Tisch zu Tisch, alles still und aufmerksam betrachtend. Als er alles gesehen hatte, wandte er sich zu den Wartenden um.
»Womit soll ich beginnen, Ihr Herren?«, fragte er.
Bevor der vorsitzende Richter etwas erwidern konnte, ergriff Fresenius eine winzige Schachtel und stellte sie vor Gwyn auf den Tisch.
»Damit beginnt«, befahl er, »ein feiner Stein. Teilt
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