Der Goldschmied
Agnes mit dem Kind niederkam. Gwyn wusste um diese heikle Bitte. So wanderte er durch die noch immer schwer beschädigte Südstadt in südwestlicher Richtung und fand sich bald auf der Straße nach Bristol wieder. Seit dem Weg in das Kriegslager zu Bois de Guilbert hatte er die Stadtmauern kaum mehr verlassen. Wohl hatten ihn ängstliche Seelen gewarnt, allein den Weg zu machen. Noch immer trieb sich allerlei Gesindel rings um die geplagte Stadt herum. Und Bath, das gerade wieder anfing, seine Wunden zu lecken und sich von den schlimmen Monaten zu erholen, hatte alle Hände voll zu tun, um seinen Bewohnern Schutz und Brot zu geben. Was außerhalb der Stadtmauern geschah, war für niemanden sonderlich wichtig.
Es war ein milder Frühlingstag, und Gwyn genoss den Fußmarsch. Er wollte allein sein, denn die Schwermut, die ihn seit dem Tod des Meisters getroffen hatte, war noch manchmal in ihm. Seit Agnes ihm vor jenen Wochen das unheimliche Geständnis gemacht hatte, war er nicht mehr aus der großen Werkstatt fortgegangen. Er hatte Tag und Nacht gearbeitet, und erst Kathleen, die treue, brave Hausmagd, erzählte ihm in einer stillen Minute, wie sehr sich die Lady Sorgen um ihn machte. Darauf war Gwyn zu ihr gegangen, und sie hatten miteinander gesprochen. Aber nicht wie Mann und Frau, sondern wie zwei Menschen, die ein Geschäft tätigen wollen.
Bereits am frühen Morgen war er aufgebrochen. Er hoffte, heute so viel zu schaffen, dass er Cirencester erreichte. Er wollte so schnell wie möglich mit der weisen Frau sprechen und sie überreden, mit ihm nach Bath zu kommen.
Die Gegend hier war dicht bewaldet. Hier ging der Wald über in die Ausläufer der Cotswold Hills. Eine breitere Handelsstraße führte von Bath bis zur Stadt Swindon. Davor würde einmal eine Abzweigung nach Cirencester kommen. Eine Weile war er nun bereits gegangen, als er den Geruch wahrnahm. Er kannte ihn, ging er in dieser Zeit oft einher mit Zerstörung durch Menschenhand. Der Geruch nach Leid und nach folgendem Hunger. Er blieb stehen und sog die Luft ein. Dabei wandte er sich nach allen Seiten um, um die Richtung zu erschnuppern, woher der sonderlich beißende Geruch herkam. Irgendetwas brannte.
Als er den Kopf ein wenig in den Nacken legte, konnte er dicken Rauch über den Baumwipfeln sehen. Es war fast windstill, und der Qualm hing dick und schwer über den hohen Bäumen. Was immer da brannte, es konnte nicht weit weg sein. Manchmal brannte der Wald. Aber dazu war es ein wenig zu feucht. Es hatte in den letzten Wochen oft geregnet. Er schritt in die ungefähre Richtung, und bald hörte er auch Geräusche. Hundegebell!
Aber dies Gebell war immer mehr einem schauerlichen Geheule gewichen. Es hörte sich schrecklich an, und Gwyn beschlich plötzlich eine finstere Ahnung. Er begann zu laufen, so schnell es das Unterholz in dem Wald zuließ. Während des Laufes griff er nach seinem Bogen, in der Hoffnung, ihn nicht zu brauchen.
Der Wald wurde lichter. Er sprang über umgestürzte Bäume, bahnte sich mit den Schultern einen Weg durch das dichte Gesträuch und erreichte den Rand des Waldes, der hier bis zum Ende eines sanft gewölbten Hügels wuchs. Unweit davon hatten fleißige Hände den Wald gerodet und ein Feld und etwas Ackerland geschaffen. Daneben fand sich eine kleine Hütte.
Sie brannte lichterloh. Wohl noch nicht lange, denn neben dem Haus befand sich noch ein junges Gerstenfeld. Ein Feuer hatte es fast niedergebrannt. Nur da und dort brannten noch kleine Inseln in dem einstigen Halmenmeer und hinterließen schwarze rauchende Furchen. Der Boden ringsum rauchte. Unweit der brennenden Hütte war ein Verschlag, wohl eine Art Schuppen für Vieh. Gwyn sah einen Mann, der sich verzweifelt bemühte, eine Milchkuh aus dem brennenden Gebäude zu befreien. Das Tier war panisch vor lauter Angst und verkeilte sich mit dem Schädel in dem schwelenden Holzverschlag. Gwyn ließ den Bogen und seinen Reisesack fallen und stürzte zu dem Mann, um ihm zu helfen. Im ersten Moment sah der ihn an, so als müsste er von dem beherzt zugreifenden Faber etwas befürchten. Aber dann merkte er wohl schnell, dass ihm von Gwyn keine Gefahr drohte.
»Das Biest will nicht hinaus! Dabei hat ihr’s Feuer schon das Fell geschmort!«, schrie der Mann verzweifelt.
Jetzt roch auch Gwyn den beißenden scharfen Geruch, der immer dann ruchbar wird, wenn lebendiges Fleisch vom Feuer gebrannt wird. Er griff der Kuh einfach an die beiden Hörner, in der Hoffnung, er könnte
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