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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Carlisle, solange es Euch genehm. Der Stadtrufer wird später kommen, und wenn Ihr es wünscht, begleitet er Euch nach Hause.«
    Gwyn nickte nur. Die Höflichkeit der Männer hier tat ihm gut, und das warme Feuer und die dampfende Suppe taten ihr Übriges.
    »Dank Euch sehr für Eure Gastfreundschaft. Aber sagt, was macht Ihr fleißigen Hände noch hier, so spät in der Nacht?«
    Wieder hub der Sprecher an, eine Antwort zu geben.
    »Bath ist wieder eine Stadt mit allen Rechten. So gab uns der Magistrat diesen Auftrag hier, der uns allen ein zusätzliches Stück Geld einbringt.« Die Hand des Sprechers beschrieb einen Halbkreis. »Wir bauen den neuen Richtplatz. Mit einem Richtblock, dem Rad und dem Galgen.«
    Nach dieser Erklärung atmete Gwyn schwer und nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher, denn nur so war er sicher, nicht wieder so zittern zu müssen wie eine Weile vorher.
    ***
    Niemand war sich sicher, ob Glenda ihr richtiger Name war. Jeder kannte sie nur unter diesem Namen, und so blieb sie für alle Bewohner in und um die Stadt Bath Glenda, die weise Frau.
    War eine Frau kurz davor, ihr Kind zur Welt zu bringen, war es gut, Glenda dabei zu wissen. Sie verstand sich auf die Geburt eines Menschenkindes, und sie kämpfte um jedes Neugeborene, so gut sie es vermochte. Nur wenige Kinder starben nach der Geburt, wenn Glenda mit ihrer Ruhe und ihrem Wissen zugegen war.
    Und was war da oft für Geduld vonnöten!
    Kinder, die sich im Leib der Mutter gedreht hatten, so dass an eine schnelle Geburt kaum zu denken war. Kinder, deren Geburt endlos schien in der Dauer. All die Schmerzen und Mühen, die Ängste, die es immer machte, so einen kleinen Erdenbürger zur Welt zu bringen. Glenda verstand sich zudem auf eine ganze Reihe an Mixturen für heilsame Tränke, Pulver gegen allerlei Leiden und zu deren raschen Linderung, Salben und Tees, die Schmerzen linderten und das Fieber senken konnten. Sie war eine weise Frau, Hebamme und Medicus zugleich. Ihr Wissen als Apothekerin war weit über die Grenzen von Bath hinaus bekannt. Das war Glenda, die weise Frau. Böse Zungen, wohl diejenigen, die es nicht besser wussten, schmähten sie oder bezichtigten sie gar der Hexerei. Aber nur hinter vorgehaltener Hand. Denn niemand wusste genau zu sagen, ob es der Wahrheit entsprach oder nicht. Dennoch, die Menschen in und um Bath erzählten sich manchmal allerlei geheimnisvolle Geschichten und ergötzten sich an scheinbar wahren Begebenheiten, die sie beobachtet hatten oder geglaubt hatten. Und es gab endlose Geschichten, die man sich immer wieder neu erzählte. Und es waren immer einige Geschichten über die weise Frau dabei. Dann, wenn sie über die Midlands kommend, quer durch die Wälder nach einer Abkürzung zur Stadt hin suchten. Unweigerlich kamen die Menschen am Bach vorbei, dort wo Glenda ihr kleines Haus hatte. Obwohl dieses Haus von außen keineswegs den Eindruck einer seltsamen oder gar unheimlichen Örtlichkeit machte, waren Furcht, gepaart mit dem Aberglauben, so fest in den Köpfen der Menschen verwurzelt, dass man sich allerlei über Glenda und ihre geheimnisvolle Tätigkeit zusammenreimte. Natürlich nur hinter vorgehaltener Hand, denn niemand wollte riskieren, von Glenda mit einem Mal versehen zu werden. Es waren eine ganze Reihe von Zeichen und Beweisen, was man ihr so alles andichtete. Dass sie den bösen Blick hätte. Dass sie mit einer Bewegung Warzen und Geschwüre, juckende Flechten und Schwären an jeden Teil des Körpers zaubern konnte. Dabei wussten die wenigsten, dass Glenda eine Frau war, die großes Wissen, vererbt einst von ihrer Mutter, mit sich trug, das weit über das Wissen hinausging, das so mancher Medicus jener Zeit hatte. Glenda erklärte alles mit der »Mutter« und meinte damit jenes Wesen, das alles schenkt, was die Menschen brauchen: Wurzeln und Kräuter, Pilze und Flechten, Rinden und Beeren, das saubere, heilende Wasser.
    Gwyn glaubte an Glenda. Zumal er wusste, dass sie das Geheimnis kannte, das Agnes unter ihrem Herzen trug und das dort von Tag zu Tag größer wurde. Ihr Bauch ließ ein Versteckspiel kaum noch zu. Es wurde immer schwieriger, dieses Geheimnis vor dem Gesinde im Haus wie auch vor den Bürgern von Bath geheim zu halten. Es dauerte neun Monate, bis ein Kind so weit gewachsen war, um auf die Welt zu kommen.
    Aber der Meister war gerade erst sieben Monate tot.
    Auf Agnes’ Wunsch hin machte sich Gwyn auf, Glenda zu besuchen und sie zu bitten, so lange im Hause zu wohnen, bis

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