Der Goldschmied
den Kopf so weit drehen, dass er aus dem schwelenden Holz freikam. Aber kaum spürte das Tier am Schädel einen weiteren Widerstand, trat es um sich und drängte durch die zaunähnliche Verkleidung nach. Splitternd gab der Rest des Holzes auf einmal nach, und das Tier kam frei. Mit lautem Gebrüll drängte es hinaus ins Freie. Gwyn hielt die beiden Hörner noch immer fest. Der andere Mann hieb dem Tier mit einem laut anfeuernden Ruf auf die Hinterbacken. Die Kuh machte einen Satz, und Gwyn rannte noch zwei, drei Schritte neben dem brüllenden Tier her und ließ dann los. Mit wilden Sprüngen, das versengte Fell dampfend wie nach einem heißen Regenguss, rannte das Tier toll vor Angst und Schmerz über den noch immer schwelenden Acker davon.
Gwyn keuchte und musste husten. Auch der Mann hustete. Er war wohl schon eine Weile hier zugange. Sein Gesicht war schwarz vor Rauch und die Augen rot von dem beißenden Qualm ringsum. Der Fremde starrte Gwyn an, als sei der ein Wesen aus einer anderen Welt.
»Dank Euch, Gevatter«, keuchte er. Er starrte den Faber einen Moment lang an, dann erst schien ihm etwas einzufallen. »Herr im Himmel! Judith! Judith, wo bist du?«
Der Mann rannte hinüber zu dem brennenden Haus, wo sich allmählich das brennende Dach langsam in das Innere der Behausung neigte. Funken und glimmende Späne regneten ringsum herab. Der Mann rannte um das Haus. Gwyn folgte ihm. Als er sich vorsichtig einen Weg vorbei an der brennenden Hütte gebahnt hatte, sah er den Hund, den er bereits oben im Wald gehört hatte. Das Tier lag neben einem Trog und bellte nicht mehr, sondern wimmerte herzergreifend. Gwyn erkannte, irgendjemand hatte dem Tier, wohl mit einer Keule oder einem schweren Holz, das Rückgrat gebrochen. Wohl weil das tapfere Tier seiner Herrin zu Hilfe eilen wollte.
Die Frau war noch jung. Sie lag hinter der Hütte auf einem großen Strohhaufen, das Einzige, was ringsherum noch nicht verbrannt war. Man hatte ihr den Rock über ihre braunen Beine hochgeschoben und das Leibtuch darunter zerfetzt. Nach der schändlichen Tat hatte man sie erstochen. Der Mann kniete stumm neben der Frau. Gwyn blieb stehen, nicht wissend, was er noch tun könnte. Er sah das Leid des Mannes dort, und er wusste, der Krieg, den die Menschen gegeneinander führen, ist immer nur schäbig und barbarisch.
Der Faber konnte nicht sprechen, denn der Mann dort dauerte ihn zutiefst, wie er da kniete, stumm und fassungslos.
»Das ist meine Judith«, murmelte er plötzlich. »Mein Weib, erst seit einem Jahr … erst seit einem Jahr.«
Er hob den Kopf und blickte über den schwelenden Boden ringsum.
»Sie ist mein Weib.« Jetzt wandte er sich zu Gwyn und sah ihn an. »Sie hätte auch Midge, den Schweinehändler, nehmen können, wisst Ihr.«
Gwyn nickte nur stumm. Er wollte etwas sagen, etwas, das dem Mann dort Trost spenden konnte und das helfen würde, diese unendliche Traurigkeit aus seinem Gesicht zu vertreiben. Aber es wollte ihm nichts einfallen.
»Aber sie hat mich genommen«, sagte der Mann. Jetzt sah er zur Seite, dort wo der Hund lag, bewegungslos und noch immer vor sich hinwimmernd. »Gevatter, ich sah einen Bogen bei Euch. Seid so gut und erlöst meinen Hund von seinem Leiden. Meine Judith … will sie jetzt nicht allein lassen … Ich bitt Euch sehr …«
Er deutete mit dem Kopf zu dem Hund, und Gwyn verstand. Er ging und suchte nach seinem Bogen. Dann erlöste er das Tier. Und als er sich umwandte, sah er den Mann, wie er sich über seine tote Frau beugte und wie es seinen hageren Leib schüttelte, während er weinte.
Der Mann hieß William Sween, und er stammte aus der Gegend. Gwyn half ihm, seine Frau zu begraben. Da ringsum alles verbrannt war, gab Gwyn dem Mann seine wollene Decke, die für ihn auf dieser Reise Mantel und Bett zugleich war.
»Ich kann Euch das feine Tuch nicht bezahlen, Herr …«, hub der Köhler an, aber Gwyn wehrte nur ab.
»Nehmt nur, William. Es ist mir Ehre und Pflicht als Christenmensch.«
Der Mann nickte dankend, und so hüllten sie den Leichnam in die Decke und begruben Sweens Frau. Auch für den Hund gruben sie eine Grube und legten das Tier neben das frische Grab der Frau.
»Der Platz wär ihr recht gewesen«, sagte William und sah über die grüne Wildnis ringsum.
»Sie wollte hierherkommen, denn ein Acker gehörte ihrem Vater. Ich bin Köhler. Es gibt genug Wald und damit Holz. Das Haus bauten wir selbst. Wir hatten von allem: eine Milchkuh und ein Feld mit Gerste. Nach
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