Der Goldvulkan
brach deshalb ohne Zögern auf. Durch die Wiederholung derselben Übung gewandter geworden, brauchten die Bergsteiger, denen sich auch Neluto angeschlossen hatte, heute nur anderthalb Stunden, den Krater zu erreichen.
Es war ihnen aber unmöglich, sich diesem ebensoweit wie früher zu nähern. Durch die höher und dichter aufsteigenden Rauchwolken züngelten lange Flammen und die Hitze in der Nähe des Kraters war ganz unerträglich. Der Vulkan warf aber auch jetzt weder Schlacken noch Asche aus.
»Offenbar, bemerkte Summy Skim, ist er nicht gerade freigebig, dieser Golden Mount, und wenn er Pepiten birgt, so scheint er sie behalten zu wollen.
– Wir werden sie ihm mit Gewalt abnehmen, da er sie nicht freiwillig herausgibt,« meinte Jane Edgerton.
Jedenfalls traten die Eruptionserscheinungen jetzt mit verstärkten Kräften auf. Das innere Grollen und Brausen erinnerte an einen unter hohem Dampfdruck stehenden Kessel, dessen Platten unter der Wirkung des Feuers erzitterten.
Offenbar war jetzt ein Ausbruch im Anzuge. Vielleicht konnten aber doch noch Wochen und Monate vergehen, ehe der Vulkan seinen glühend flüssigen Inhalt in die Luft schleuderte.
Ben Raddle dachte also, nach Beobachtung des gegenwärtigen Zustandes des Kraters, keineswegs daran, die angefangnen Arbeiten unterbrechen zu lassen, im Gegenteil wollte er sie womöglich mit noch größerm Eifer gefördert sehen.
Vor dem Abstieg ließen die Ausflügler die Blicke über die ganze Umgebung hinschweifen. Die Gegend erschien öde wie immer. Nirgends, weder auf dem Lande noch auf dem Meere, zeigte sich etwas Ungewöhnliches und in dieser Hinsicht konnten Ben Raddle und seine Gefährten also recht zufrieden sein. Das Geheimnis des Golden Mount war offenbar noch niemand bekannt.
Den Rücken gegen den Krater gewendet, verloren sich Ben Raddle und seine Begleiter völlig in der Betrachtung des weiten Horizontes. Vorzüglich schien sich Summy einem innern Traume hinzugeben. Starr nach Südosten hinausblickend, rührte er sich gar nicht mehr und schien ganz vergessen zu haben, was ihn umgab.
»Was sehen Sie denn so Interessantes auf dieser Seite?« fragte Jane.
Und mit halberstickter Stimme antwortete Summy:
»Montreal, Fräulein Jane! Montreal und Green Valley!
– Green Valley! wiederholte das junge Mädchen. Ja, das ist ein Erdenfleckchen, woran Sie mit ganzem Herzen hängen, Herr Skim.
– Wie könnte das auch anders sein? antwortete Skim, ohne die Augen aus der Richtung abzulenken, die ihn wie der Pol die Kompaßnadel anzog. Habe ich denn nicht dort gelebt? In Green Valley habe ich die einen und haben andre mich geboren werden sehen. Allbekannt und überall, vom Großvater wie vom jüngsten Kinde, freundlich bewillkommt, bin ich überall zu Hause und, wenn ich meinen lieben Ben ausnehme, leider mehr geschaffen, Liebe zu empfangen als Liebe zu geben; nur dort finde ich etwas wie eine Familie. Ich liebe Green Valley, weil Green Valley mich liebt, Fräulein Jane.«
Summy schwieg und Jane ehrte dieses Schweigen; auch sie schien jetzt nachdenklicher zu werden. Erweckten vielleicht die von dem Gefährten dieses Abenteuers geäußerten wenigen Worte in ihr vorher schlummernde Gefühle? Sagte sie sich etwa, daß Mut, Tatkraft und Streben, selbst wenn sie siegreich sind, nicht genügen, ein Leben auszufüllen, daß es, wenn die freie Ausübung eines klugen und redlichen Willens unser Gehirn durch einen gewissen Stolz berauschen kann, doch noch andre Instinkte gibt, die solche äußre Freuden nicht zu befriedigen vermögen?
Gewann sie unter dem Einfluß der eben vernommenen Worte vielleicht eine klarere Einsicht in die besondre Lebenslage dieses Mannes? Hatte sie sich schwach und einsam gesehen, auf dem Gipfel des an den Grenzen der bewohnten Welt verlornen Berges umgeben von zum Teil gefühlsarmen Menschen, für die sie jedenfalls bald als eine Eintagserscheinung vergessen sein würde? Sagte sie sich, daß auch sie keine Familie habe und daß sie, weniger begünstigt als Summy Skim, kein Green Valley voll offner Hände und liebender Herzen ihr eigen nenne?
»Achtung! rief da plötzlich Neluto, der von allen das schärfste Gesicht hatte.
– Was gibt es denn? fragte Ben Raddle.
– Ach, nichts, antwortete Neluto. Und mir war’s doch, als sähe ich…
– Nun heraus mit der Sprache! Was denn? drang Ben Raddle in ihn.
– Ja… ich weiß nicht recht, sagte der Indianer zögernd Ich glaubte… hm ja… vielleicht einen Rauch zu sehen.
– Einen Rauch?
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