Der Goldvulkan
Zurücklegung von ein Dutzend Lieues in vierundzwanzig Stunden, dreier Tage bedürfen, ihn zu erreichen.
Neluto teilte die tägliche Fahrstrecke so ein, daß das Pferd nicht über Gebühr angestrengt wurde. Jeder Tag zerfiel da in zwei Etappen: Die erste von sechs bis elf Uhr vormittags, darauf eine zweistündige Rast, die zweite von ein Uhr nachmittags bis sechs Uhr abends, und dann wurde das Lager für die Nacht aufgeschlagen. In dem sehr unebnen Lande konnte man nicht mehr verlangen.
Jeden Abend wurde im Schutze von Bäumen ein Zelt errichtet, wenn Ben Raddle und Summy Skim nicht zufällig ein Zimmer in einer Gastwirtschaft an der Straße fanden.
Die beiden ersten Fahrstrecken wurden unter recht günstigen Verhältnissen zurückgelegt. Das Wetter hielt sich schön. Eine leichte Brise trieb von Osten her einige hochschwebende Wolken heran und das Thermometer stieg bis auf zehn Grad über Null. Der Erdboden erhob sich oft zu mittelmäßigen Hügeln, deren größter noch keine tausend Fuß Höhe erreichte. Anemonen, Krokusse, Wacholder und andre Blütenpflanzen bedeckten die Abhänge in voller Frühlingspracht. Im Grunde der Schluchten erhoben sich Fichten, Pappeln, Weiden und Tannen in dichten Gruppen.
Summy Skim war mitgeteilt worden, daß es längs der Straße an Wild nicht fehle und daß in diesem Teile Klondikes sogar Bären öfters vorkämen.
Ben Raddle und er hatten deswegen auch ihre Jagdgewehre mitgenommen, fanden aber keine Gelegenheit, sie zu benützen.
Die Gegend war auch keineswegs menschenleer. Da und dort sah man Goldgräber in den Claims an den Bergen beschäftigt, in Fundstätten, von denen einzelne für den Tag und den Mann bis zu tausend Francs Ausbeute gaben.
Am Nachmittag erreichte der Wagen das Fort Reliance, einen zu dieser Jahreszeit besonders belebten Flecken. Einst von der Hudsonbai-Gesellschaft zur Erwerbung von Pelzfellen und zur Verteidigung gegen raublüsterne Indianerstämme gegründet, hatte das Fort Reliance, wie so viele Anlagen ähnlicher Art, seine frühere Bestimmung völlig verloren. Seit der Entdeckung der Goldlager hat sich die frühere Militärstation zu einer großen Proviantniederlage verwandelt.
In Fort Reliance trafen die beiden Vettern mit dem Major James Walsh, dem Generalkommissar für das Yukongebiet, zusammen, der eben auf einer Inspektionsreise begriffen war.
Der Major, ein Mann von etwa fünfzig Jahren, war ein vortrefflicher Verwaltungsbeamter, als welcher er hier seit zwei Jahren fungierte. Der Gouverneur der Dominion hatte ihn hierher zu der Zeit beordert, wo die Goldlagerstätten anfingen, von tausenden von Auswandrern überschwemmt zu werden, ohne daß ein Abflauen dieses Zuzugs bemerkbar gewesen wäre.
Ein angenehmer Auftrag war das für James Walsh keineswegs. Da galt es, über Konzessionen endgültig Beschluß zu fassen, Claims abzugrenzen und zu verteilen, Grundsteuern einzutreiben und auf gute Ordnung in einem Landesteil zu halten, zu dem die Indianer gegen die Einwandrung Einspruch erheben und sich ihr zuweilen sogar tatsächlich widersetzen… kurz, Tag für Tag neue Schwierigkeiten und neue Ärgernisse.
Zu diesen nie aufhörenden Mißhelligkeiten kam jetzt noch die Streitfrage bezüglich des 141. Längengrades, eine Streitfrage, die ohne eine nochmalige Triangulation nicht zu lösen war. Gerade wegen dieser Angelegenheit verweilte der Major James Walsh hier in dem westlichsten Teile von Klondike.
»Wer hat denn diese Frage aufgeworfen, Herr Walsh? fragte Ben Raddle.
– Natürlich die Amerikaner, erklärte der Kommissar. Sie behaupten, daß die Vermessung zu der Zeit, wo Alaska zu Rußland gehörte, nicht mit der nötigen Genauigkeit ausgeführt worden sei. Die durch den hunderteinundvierzigsten Längengrad dargestellte Grenze müsse, ihrer Anschauung nach, etwas weiter nach Osten verschoben werden, wodurch den Vereinigten Staaten die meisten an den linken Zuflüssen des Yukon gelegenen Claims zufallen würden.
– Und folglich auch der Claim Nummer 129, äußerte Summy Skim, den wir von unserm Onkel Josias Lacoste geerbt haben.
– Ja freilich. Sie, meine Herren, wären die ersten, die gegebnen Falles den Bodenherrn wechseln müßten.
– Ist denn, Herr Major, fuhr Summy Skim fort, Aussicht vorhanden, daß die Berichtigungsarbeit bald beendigt wird?
– Darüber, erklärte Walsh, kann ich Ihnen, meine Herren, weiter nichts sagen, als daß die zu der Neuvermessung ernannte Kommission ihre Tätigkeit vor einigen Wochen begonnen hat. Wir
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