Der Goldvulkan
das gewöhnt waren, und während Edith zu ihren Kranken zurückkehrte, wandte sich Jane entschlossen dem Abenteuer, dem Unbekannten entgegen. Bei ihren Einkäufen hatte sie sich durch Befragung des einen und des andern über verschiednes so gut wie möglich unterrichtet. Aus den dabei erhaltnen Mitteilungen ging hervor, daß ihr nach Süden und nach Osten zu keine Aussicht auf Erfolg winkte. Nach diesen Seiten hin lagen allerdings die reichsten, deshalb aber auch am meisten überlaufnen Gebiete. Sie würde dort sehr lange umhersuchen müssen, ehe sie ein noch unausgebeutetes Plätzchen fände, das der Mühe ihrer Arbeit lohnte.
Nach Westen zu waren die Rios und die Creeks dagegen vorläufig noch weniger bekannt und die Konkurrenz war dort weniger scharf. In dieser Gegend würde es ihr voraussichtlich eher möglich sein, einen bisher unbeachteten Claim zu erwerben, ohne sich von der Stadt gar zu weit zu entfernen.
Auf ihren glücklichen Stern bauend, zog Jane Edgerton von Dawson City nach Westen hinaus und, die Schaufel in der Hand, den Quersack auf der Schulter, längs des linken Yukonufers weiter.
Wohin ging sie nun eigentlich?… Ja, das wußte sie selbst nicht. Sie marschierte einfach vor sich hin und hatte zunächst keinen andern Plan entworfen, als an dem ersten, einigermaßen bedeutenden Flusse hinzuwandern, der ihren Weg schneiden würde und dessen Uferland sie genau besichtigen wollte.
Als Jane nachmittags fünf Uhr noch keinen Wasserlauf angetroffen hatte, der einen andern Namen als den eines Baches verdiente, machte sie etwas ermüdet einen kurzen Halt und stärkte sich aus dem mitgenommnen Proviant. Bisher war ihr vom letzten Hause der Stadt an noch keine lebende Seele begegnet. Ringsumher herrschte Schweigen in dem Landstrich, der ganz unbewohnt erschien.
Nach Beendigung ihres frugalen Mahles wollte Jane eben wieder aufbrechen, als ein aus Dawson City kommender Wagen auf die Straße einbog und sich ihr schnell näherte. Es war ein sehr einfaches Gefährt, mehr ein richtiger Bauernkarren mit einer darübergespannten Leinenplane und einem kräftigen Pferde davor. Auf dem über der Vorderachse an Stricken hängenden Sitze zeigte sich ein vierschrötiger Mann mit stark gerötetem, aber jovialem Gesicht, der lustig mit der Peitsche knallte.
Da der Weg an der Stelle, wo er sich eben befand, ziemlich stark anstieg, kam der Wagen jetzt nur langsamer vorwärts. Jane hörte hinter sich den Hufschlag des Pferdes auf dem Erdboden und die Räder kreischten in einer Entfernung, die sich vorläufig nicht zu verringern schien.
Da rief sie eine etwas schwerfällige, doch lustige Stimme mit den Worten an:
»He, mein Bürschchen, was machst du denn hier?«
Auf diese Anrede in ganz verständlichem, doch in seiner Unkorrektheit für ein angelsächsisches Ohr höchst komisch wirkendem Englisch wandte sich Jane ruhig nach dem Sprecher um.
»Und Sie?« antwortete sie nur.
Der Mund des dicken Mannes verzog sich zu einem breiten Lächeln.
»
Bou Diou!
rief er, seine fremde Aussprache noch durch einen deutlichen Marseiller Akzent verschärfend, du hast ja recht helle Augen, junges Hühnchen! Das Stirnhaar sieht ja aus, als wenn es jeden Vorüberkommenden ausfragen wollte. Gehörst du vielleicht zur Landespolizei, mein Pitchoun?
– Und Sie? sagte Jane darauf noch einmal.
– Und Sie? wiederholte der Wagenlenker scherzend. Du kannst wohl nichts andres sprechen, Kleiner?… Oder wäre es erst notwendig, sich dem Herrchen vorzustellen?
– Ja, warum das nicht? erwiderte Jane halb lachend..
– Das ist sehr einfach, erklärte der lustige Patron, während er sein Pferd mit einem leichten Peitschenschlage antrieb. Ich habe die Ehre, mich dir als Marius Rouveyre, den größten Händler in Fort Cudahy, vorzustellen. Und nun ist die Reihe an dir, nicht wahr?
– Jean Edgerton, Prospektor.«
Der Wagen hielt auf der Stelle an; Marius Rouveyre hatte in seiner Überraschung die Zügel plötzlich scharf angezogen. Er ließ sie aber gleich wieder locker und hielt sich unter schmetternd lautem Lachen die Seiten.
»Prospektor… Sapperment, Prospektor! lallte er trotz seines Lachens, Prospektor…
pecairé!…
Du willst dich also von den Wölfen auffressen lassen?… Und seit wann bist du, wie du sagst, Prospektor?
– Seit drei Stunden! antwortete Jane Edgerton, ärgerlich errötend. Ich bin nun schon zwei Monate unterwegs, um hierherzukommen, es hat mich aber, wie es scheint, noch kein Wolf verzehrt.
– Richtig! bestätigte
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