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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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Kreischen klingt nicht sehr selbstbewusst. Vielmehr schwingt Angst in ihrer Stimme mit. Zweige knacken, die Blätterwand, hinter der eben noch das Krachen zu vernehmen war, fällt, und behangen mit einigen Schlingpflanzen betritt ein gewaltiger Silberrücken die Szene. Er sieht wild aus und wirkt massiger als sein Gegenüber.
    Kabirizi kennt ihn. Es ist Humba, ein stattlicher, starker Silberrücken – aber auch ein genügsamer Zeitgenosse. Humba ist, wenn es sich vermeiden lässt, nicht auf Streit aus. Kabirizi kratzt sich ungerührt am Kopf. Der andere sucht noch nach einer guten Position, um – ungeachtet der Pflanzenteile, die ihm immer noch von den Schultern herabhängen – möglichst stattlich zu wirken. Kabirizi begegnet Humba nicht zum ersten Mal. Bisher haben beide einen Kampf vermieden. Die imposante Erscheinung Humbas lässt Kabirizi zögern. Zwar fühlt er sich jedem Silberrücken gewachsen, aber der da tritt so gemessen auf. Humba verhält sich weniger aggressiv als andere Gorillamänner. Er besitzt Kraft, mindestens so viel wie Kabirizi. Seine eigentliche Stärke beruht aber nicht auf der Leistungsfähigkeit seiner Muskeln, sondern auf seiner Abgeklärtheit.
    Kaum etwas verleitet Humba zu einer unüberlegten Handlung. Im Zweifelsfall wartet er ab. Weder attackiert er überstürzt einen Gegner noch ergreift er kopflos die Flucht, selbst wenn er glaubt, dass es gefährlich werden könnte. Humba provoziert mit stoischer Ruhe, die seine Gegner fälschlicherweise als unerhörtes Selbstvertrauen deuten. Impulsives Verhalten ist einfach nicht Humbas Art. Ihn selbst überrascht es immer wieder, wie sehr sein Habitus andere Gorillas in Rage versetzen kann.
    Kabirizi wartet ab. Als erfahrener Kämpfer kennt er den richtigen Moment für eine Aktion. Gut, wenn der andere überhastet angreift. Gut auch, wenn der andere zu lange wartet und der Verunsicherung Zeit gibt, sich breitzumachen. Die beiden Silberrücken stehen sich gegenüber. Kabirizi hört, wie links und rechts im Gebüsch Gorillas miteinander streiten. Jetzt platzt ein Fellknäuel in die Arena. Es sind mehrere Körper, die da ineinander verschlungen herumkugeln, sich schließlich auseinanderwinden und eilig wieder im Dickicht verschwinden. Kabirizi und Humba blicken mürrisch. Dass sich die beiden Kolosse nicht bewegen, färbt auf ihre Sippen ab. Das Gekeife verebbt zusehends. Je ruhiger es wird, desto mehr lädt sich die Atmosphäre zwischen den beiden Silberrücken auf. Jetzt kommt es nur noch auf die beiden an.
    Kabirizis Gruppe zählt gut dreimal so viele Köpfe wie Humbas Familie. Würden sie gemeinsam über die Fremden herfallen, hätten sie wohl leichtes Spiel. Aber das entspricht nicht ihrer Art. Begegnungen zweier Sippen eskalieren bei Berggorillas selten. Meist erschöpfen sich die Konfrontationen in gegenseitigen Demonstrationen der eigenen Stärke. Die Silberrücken fürchten bei solchen Treffen besonders, dass sich fortpflanzungsfähige Weibchen auf die Seite des Nebenbuhlers schlagen. Bei Berggorillas ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass einzelne Mitglieder, vor allem Weibchen, in eine andere Gruppe wechseln. Gerade die Töchter von Silberrücken verlassen während oder spätestens nach der Pubertät mit etwa zehn Jahren ihre Familien. So vermeiden sie, dass sie von ihrem Vater schwanger werden. Es kann auch passieren, dass ein mächtiger Silberrücken im Vergleich zum bisherigen Familienoberhaupt so überzeugend wirkt, dass sich das Gros der Damen für ihn entscheidet. Aber das droht Kabirizi nicht.
    In den Sträuchern ist es nun ganz still geworden. Kabirizi taxiert den anderen. Humba steht regungslos wenige Meter vor ihm. Er sieht selbstbewusst aus. Wenn Kabirizi jetzt noch länger wartet, könnte ihm der andere das als Schwäche auslegen, sein Harem könnte Zweifel an seiner Entschlossenheit bekommen. In Kabirizi liegt der Entschluss zu einer deutlichen Drohgebärde mit der Vorsicht, nicht voreilig den ersten Schritt zu machen, im Wettstreit. Letzteres böte dem Rivalen die Chance zu einer entscheidenden Reaktion. Seine Nervosität wächst. Mit jeder Sekunde, die verstreicht, nähert sich seine Gewaltbereitschaft jenem Punkt, ab dem für den Silberrücken eine Aktion unvermeidlich wird. Schon sammeln die Muskeln Kraft, um seinen Körper aufrecht an seinem Kontrahenten vorbeizutragen. Die Nerven seines Gehirns bereiten sich darauf vor, den Armen Befehl zum Trommelwirbel gegen die Brust zu erteilen. Der Kehlsack bläht sich in

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