Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Erwartung der Schläge, deren Widerhall er als Resonanzkörper verstärken soll. Alles ist vorbereitet auf die Eröffnung des Drohgebarens, das vielleicht zu einer Eskalation führen wird. Es sind nur noch wenige Augenblicke bis zum Beginn dieses Einschüchterungsrituals.
Da saust ein dunkler Schatten von oben herab. Ein Körper schlägt hart auf dem Boden zwischen den beiden kampfbereiten Silberrücken auf. Die Matte aus platt gewalzten Pflanzen federt den Sturz nur unwesentlich ab. Ein gellender Schmerzensschrei fährt Humba und Kabirizi in die Ohren. Die Störung platzt so unvermittelt in die Arena, dass es nicht zum Angriff kommt, sondern den Clanchefs lediglich ein gewaltiger Schrecken in die Glieder fährt. Sie zucken zusammen, werfen ihre massigen Körper gleichzeitig ins Unterholz und ziehen sich verwirrt zurück. Links und rechts der durchs Dickicht polternden Kolosse folgen ihnen schreiend die Mitglieder ihrer Gruppen. Auf der kleinen Lichtung liegt nur noch der dunkle Körper eines Gorillas. Stille breitet sich aus. Hier und da segelt ein abgerissenes Blatt zu Boden. Was eben der Schauplatz einer Konfrontation zweier Urwaldgiganten war, dient jetzt nur noch dem verdutzten Kayenga als trauriger Schauplatz seines Missgeschicks. Benommen rappelt sich der Schwarzrücken hoch. Schulter und Hüfte schmerzen enorm. Solch einen schweren Sturz hat er noch nicht erlebt.
In der jungenhaften Hoffnung, vielleicht diesmal Eindruck damit zu schinden, hatte er wieder einmal eine seiner Vorführungen geboten und sich an einem Ast hängend über dem Chaos am Waldboden hin und her geschwungen. Dass das Holz ausgerechnet dann brechen musste, als er über den Silberrücken schwebte, war ja nun wirklich nicht vorherzusehen. Jedenfalls steht Kayenga nun alleine da. Er hört Humbas Sippe davonjagen, während von gegenüber vertraute Rufe an sein Ohr dringen. Das sind Bonane und Nsekuye. Mit schmerzenden Gliedern folgt Kayenga seiner Gruppe ins Halbdunkel des Waldes.
Während der folgenden Tagen streift Humbas Familie immer in der Nähe von Kabirizis Sippe umher. Das macht den Silberrücken nervös und reizbar. Keines seiner Kinder wagt jetzt, ihm einen Streich zu spielen. Die Weibchen der Gruppe, allen voran Rubiga, nähern sich ihm vorsichtig. Sie kauern bei ihm, zupfen achtsam an den Haaren seiner Arme oder seines Rückens, drücken ihren Körper an den ihres Schutzherrn und achten darauf, jegliche Unruhe von ihm fernzuhalten. Balgen sich einmal zwei Heranwachsende zu ausgelassen innerhalb Kabirizis Wahrnehmungshorizont, greifen ihre Mütter oder Tanten ein und bringen die Ungezogenen von dem mürrisch Blätter pflückenden Gorillamann fort. Am Rand des Verbandes machen sich die entnervten Mitglieder der Sippe Luft. So sitzt Karibu mit ihrer einjährigen Tochter Serundori an einem Flecken, der mit einigen Labkräutern bewachsen ist. Emsig pflückt sie die an Feldsalat erinnernden Blätter und verspeist sie. Ihre Tochter beobachtet die Mutter dabei genau.
Karibu stieß vor geraumer Zeit zu Kabirizis Familie. Woher sie stammt, weiß niemand. Sie schloss sich einfach der Gruppe an. Da sie ein ruhiges Wesen besitzt, nimmt niemand an ihr Anstoß. Sie spielt nicht mit den anderen, dazu fehlt ihr die familiäre Bindung. In dem Trupp haben sonst alle ihre Mütter, Geschwister, Tanten und Onkel. Weshalb sollte man also mit der Neuen spielen? Karibu kennt ihren Platz. Sie darf nicht vorlaut werden, sonst könnte ihr das jemand heimzahlen wollen. Obwohl sie Kabirizi schon zwei Kinder geboren hat, rangiert sie noch vergleichsweise weit unten im Ansehen der anderen Gorillas. Von Jungtieren lässt sie sich nichts gefallen. Wenn es sein muss, rüffelt sie Frechdachse auch hin und wieder. Das tut sie allerdings nur, wenn es ihr gar zu bunt wird und sie gerade nicht ausweichen kann.
Jetzt kaut Karibu Labkräuter und erregt trotzdem das Missfallen von Nsekuye. Schon ist die etwa 15-Jährige am Platz der kaum jüngeren Karibu. Die Mutter zieht Serundori eng an ihren Körper, um sie vorsorglich zu schützen. Nsekuye setzt sich daneben. Die ungewohnte Nähe des ranghöheren Weibchens verunsichert Karibu. Diese Aufdringlichkeit ist unangenehm. Labkräuter sind keine Mahlzeit, für die es einen Streit lohnt, schon gar nicht mit einer kleinen Tochter im Arm. Keine Nahrung der Welt könnte eine Verletzung des Nachwuchses aufwiegen. Karibu erhebt sich, drückt Serundori an ihre Brust und entfernt sich langsam von Nsekuye. Die Siegerin in diesem
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