Der Gottbettler: Roman (German Edition)
ihr nicht so recht gelingen.
Pirmen antwortete nicht. Er stierte weiter vor sich hin, mit verzückter Miene. Sein Blick wanderte immer wieder über jene hohen Türme, die sich wie gedrehte Spindeln in die Höhe schraubten, schlank und elegant. An den Spitzen wehten blutrote Flaggen. Sie folgten nicht dem Wind, sondern dem Willen ihrer Bewohner, dem der Magicae.
»Macht euch bereit«, rief jener Seemann, der Terca während der gesamten Überfahrt betreut hatte. Auch er wirkte aufgekratzt. Die Ankunft an den Landepontons des Oceanicums schien selbst für ihn von besonderer Bedeutung zu sein.
Die Seekröte verlangsamte den Paddelschlag und trieb dann langsam auf ihr Ziel zu. Sie schwankte mehr als gewohnt, und es war dem riesenhaften Tier anzumerken, dass es sich angesichts der vor ihr hochtürmenden Gebäude unwohl fühlte. Dies war nicht seine Heimat und schon gar nicht ein Umfeld, das es gewohnt war.
Kommandos ertönten, Taue wurden geworfen. Die bislang so schweigsamen Krötentreiber wuselten aufgeregt umher, riefen den Arbeitern auf dem griamschen Festland Kommandos zu, die für Terca keinen Sinn ergaben.
Das Tier betrat den felsigen Boden und watschelte schwerfällig eine Schräge hoch. Es hob den Kopf, sah sich um, schrie, spuckte grünes Zeugs in die Luft. Seine Meister hatten alle Hände voll zu tun, es wieder zu beruhigen. Immer größer wurde die Hektik, immer größer auch das Durcheinander im Inneren des Panzers. Einrichtungsgegenstände purzelten durcheinander. Das Blut in den Arterien der Kröte wurde dunkler, und es floss mit beunruhigender Geschwindigkeit durch den Leib des riesigen Geschöpfs.
Ein letzter Befehl, eine letzte Bewegung. Zwei Paddelbeine klatschten zugleich auf den Boden. Breitbeinig blieb die Kröte stehen, unmittelbar vor einem Haufen verfaulender Kohl- und Salatköpfe. Sie grunzte zufrieden und begann zu fressen. Alle Sorgen, alle Ängste waren vergessen.
»Aussteigen!«, befahl der Seemann, der sich während der Überfahrt um Terca gekümmert hatte. »Wir müssen die Ladung gelöscht haben, bevor Gerdomoirr-te wieder unruhig wird. Rasch!«
Kräne ließen Netze auf die Kröte herabfallen. Diese Kräne wurden von mehreren Winden bewegt, an denen muskelbepackte Sklaven mit auffällig heller Haut schufteten. Während Terca ihren beiden Begleitern folgte und durch eine Seitenluke im Panzer zu einer Strickleiter gelangte, wurden Kisten und Säcke abgeladen. Sie befanden sich in der vorderen Körperhälfte Gerdomoirr-tes und beinhalteten zum Teil Nahrungsmittel, aber auch Erde und Felsbrocken, so groß wie ausgewachsene Männer.
»Jedermann, der nach Griam kommt, ist verpflichtet, das Fünffache seines Körpergewichts mitzubringen«, belehrte Pirmen sie ungefragt. »Steine, nährreiche Erde, Wasser, Lehm … Was auch immer hilft, das Oceanicum zu festigen oder auszubauen. Lass mich nun los, Herr Rudynar Pole«, verlangte er. »Dies ist meine Heimat. Niemand soll mich auf dem Rücken eines Trunkenbolds zurückkehren sehen.«
Rudynar Pole setzte ihn wortlos ab und reichte ihm jenen Stecken, den er während der Überfahrt bearbeitet hatte. Nun war er an der Oberseite mit einem ledernen Polster ausgestattet, den sich Pirmen unter den Armstummel klemmte. Das stumpfe Unterteil hatte eine breite Stehfläche. Die Krücke ermöglichte es dem Magicus, sich allein vorwärtszubewegen.
»Wohin nun?«, fragte Terca.
»Herr Rudynar Pole und ich werden meinem Meister Larex einen Besuch abstatten, in seinem Magischen Turm. Er wird mit mir sehr zufrieden sein. Unser trinkfreudiger Begleiter hier wird sich ab nun um den Stummen Jungen kümmern. Meine Aufgabe ist hiermit erledigt, ich werde mich wieder meinen Studien widmen. Die mir nun nicht mehr so schwerfallen werden wie bisher.« Pirmen blickte sie an. »Was dich betrifft, so trennen sich unsere Wege. Du hast hier nichts zu suchen. Du musst froh sein, wenn ich meinem Meister nicht verrate, dass sich eine Hexe auf dem Oceanicum aufhält.«
»Niemand hindert dich daran.« Tercas altes Herz klopfte laut und kräftig. »Ich habe nicht vor, mich zu verstecken.«
»Warum hast du uns begleitet?«, stellte erneut Pirmen die Frage, die ihm schon lange beschäftigte.
»Ich kam hierher, weil es mein Schicksal ist. Und ich glaube nicht, dass unsere gemeinsame Reise bereits zu Ende ist.«
»Es ist vorbei, Hexe! Ich habe viel zu viel von dieser barbarischen Welt gesehen und viel zu viel dort erlebt.«
»Diese Reise hat dich weitergebracht. Nicht nur in
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