Der Gottbettler: Roman (German Edition)
sein.«
»Du sorgst dich um uns? Das ehrt dich.« Dramir verbeugte sich und verlor dadurch fast das Gleichgewicht, hielt sich dann aber schnell an der Wand fest. Seine Finger glitten in winzige Ritzen und fanden dort Halt.
»Kannst du verstehen, was geredet wird?«, fragte Terca.
Auf einmal wurden bei dem Zwerg so etwas wie Sinnesorgane erkennbar. Aus der Kartoffelhaut stülpten sich breite Falten, die sich nach oben richteten. Der Kleine lauschte eine Weile und sagte dann: »Ich zähle sechs Leute, zwei davon sind Magicae. Dein Freund ist an seinem unsicheren Tritt zu erkennen. Er ist schwer verletzt. Ich höre das Blut aus seinem Körper tropfen.« Dramir machte eine kurze Pause und ergänzte dann: »Wir müssen uns beeilen. Die Situation spitzt sich zu.«
»Befindet sich eine Menschenfrau unter den Anwesenden?«
»Ja. Sie ist ebenfalls verletzt. Ich fühle ihre Unsicherheit, womöglich auch ein klein wenig Angst.«
»Gut.« Terca schloss die Augen und ging alle Möglichkeiten durch, die sie sah, um diese Angelegenheit so unblutig wie möglich zu beenden. Es waren bloß wenige. Womöglich würden sie allesamt sterben. Larex verfügte über enorme magische Fähigkeiten, zumal er sich im Zentrum seiner Macht befand. Sie würde rasch und zielgerichtet agieren müssen.
Terca gab ihre Anweisungen, dann drangen die Zwerge nach oben vor, gruben sich durch winzige Löcher und zwängten sich mit der ihnen eigenen Geschicklichkeit durch enge Spalten. Jene Schachtgräber, die bei Terca und Dramir blieben, stellten sich in Zweierreihe auf. Über ihnen, keine drei Meter hoch, fand ein Drama statt, das nur noch sie beeinflussen konnten.
»Jetzt!«, sagte Terca, sah zu, wie zwei der wendigsten Zwerge die Wände senkrecht emporkletterten, und ließ sich von weiteren Mitgliedern des Kleinen Volks in die Höhe hieven.
»Machen wir uns an die Arbeit, Freunde«, sagte eine Stimme, die ihr sattsam bekannt war.
Der Armbrustschütze riss die Waffe auf einmal zur Seite und drückte dann ab. Der Bolzen sirrte an Pirmen vorbei, schlug gegen Stein und zerbarst.
Ein Schatten sprang aus der Dunkelheit, dann noch einer und noch einer, und plötzlich wuselten zig Wesen durch das Heiligste des Magicus.
»Zwerge! Verfluchte Brut!«, schrie Larex wutentbrannt. »Ihr betrügt mich, trotz der alten Abmachungen?« Er wich zurück, plötzlich nicht mehr auf Gehhilfen angewiesen. Er schwebte dahin, eine Handbreit über dem Boden, und lenkte seinen Leib mit Geschick und atemberaubender Geschwindigkeit an Rüstungsteilen, Tischen, Kesseln, angehäuftem Unrat und Regalen vorbei, die die darauf abgestellten Einlegegläser fast nicht aufnehmen konnten.
Rudynar Pole stolperte nach vorn. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Er steuerte stets die Gefahr an, statt ihr auszuweichen, selbst als er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Er stürzte sich auf den Armbrustschützen und riss ihn mit sich zu Boden, begrub ihn unter sich. Mehr konnte er nicht tun. Seine Arme waren viel zu schwach. Also blieb er auf dem Gegner liegen, während immer mehr Zwerge in den Raum fluteten.
Pae Loriander stand nur einen Fußbreit von ihm entfernt und richtete ihr Schwert gegen die Zwerge, hochkonzentriert und mit einem Ausdruck im Gesicht, der glücklich wirkte. Der andere verbliebene Soldat des Gottbettlers verschwand eben unter einem Haufen Zwerge, wurde unter ihnen begraben und unter den Dutzenden kleinen Leibern erstickt.
Etwa zehn der unerwarteten Retter wälzten Rudynar Pole grob beiseite und schnappten sich den Armbrustschützen. Sosehr sich der Krieger des Gottbettlers auch wehrte, gegen diese wie entfesselt kämpfenden Gegner kam er nicht an. Sie bissen in sein Fleisch, mit seltsam geformten Kieferknochen, die aus Hautwülsten hervorwuchsen, oder stachen mit winzigen Fingerchen Löcher in seinen Leib, als wollten sie Grubenschächte ausheben.
Eine Explosion. Staub fiel von der Decke, eine Stützsäule zerbarst, und eine Stichflamme schoss über Rudynar Pole hinweg, gefolgt von einer dicken, nach Schwefel riechenden Wolke. Darüber hinweg tönte Larex’ Lachen. Es klang nach Panik und Irrsinn gleichermaßen. Der Magicus entfachte ein zerstörerisches Feuerwerk, das wohl den gesamten Bau dem Erdboden gleichmachen sollte, ohne dass er auf sein eigenes Leben Rücksicht nahm.
»Glaubt ihr ernsthaft, mich besiegen zu können?«, geiferte er aus dem Nirgendwo. »Mich, den mächtigsten Mann Griams, den Herrscher des Oceanicum?«
Weitere Explosionen.
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